Titelbild der ersten Ausgabe von "Der Spiegel"

Stichtag

4. Januar 1947 - Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" erscheint erstmals

Nicht jeder Bundeskanzler mag das Nachrichtenmagazin aus Hamburg: "Ich lese übrigens den 'Spiegel' im Allgemeinen nicht", sagt Konrad Adenauer (CDU). "Ich habe Besseres zu tun." Willy Brandt (SPD) nennt es einmal ein "Scheißblatt" und Helmut Kohl (CDU) boykottiert es demonstrativ. Die Geschichte des "Spiegel" beginnt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. In Hannover erhält der 23 Jahre alte und deshalb unbelastete Journalist Rudolf Augstein von den Engländern die Verlegerlizenz für ein politisches Wochenmagazin im Stil der britischen "News Review" und der amerikanischen "Time". Am 4. Januar 1947 erscheint es zum ersten Mal unter dem Namen "Der Spiegel". Fünf Jahre später zieht der Verlag nach Hamburg um.

Schnell etabliert Augstein eine neue Art von Journalismus: respektlos und investigativ. So enthüllt der "Spiegel" 1950, dass Bonn im Jahr zuvor nur dank Korruption zur Hauptstadt der jungen Bundesrepublik geworden ist. Den Aufstieg schafft das Magazin auch dank der Mitarbeit ehemals hochrangiger Nazis als Autoren und Redakteure. So kann ausgerechnet Rudolf Diels - der als Gestapo-Chef von Berlin 1933 Autoren wie Carl von Ossietzky und Erich Mühsam ins KZ gebracht hat - schon 1949 in einer langen "Spiegel"-Serie Geschichtsklitterung betreiben. Ehemalige SS-Hauptsturmführer wie Georg Wolff und Horst Mahnke werden langjährige Ressortleiter.

"Liberal, im Zweifel links"

Das Blatt legt sich mit vielen Mächtigen an - vor allem mit Franz Josef Strauß. Der CSU-Verteidigungsminister wird schon als Adenauer-Nachfolger gehandelt, doch der "Spiegel" weist ihm eine Reihe von Skandalen nach. Augstein hatte Strauß 1957 kennengelernt: "Er war Gast in meinem Hause am Mayenweg und benahm sich derart, dass ich gesagt habe: der nicht!" Strauß schießt zurück: 1962 lässt er die "Spiegel"-Zentrale in Hamburg durch die Polizei besetzen. Das Blatt habe militärische Geheimnisse verraten. Augstein wird verhaftet. Aber Strauß verschätzt sich: Statt des angeblichen Landesverrats rückt im In- und Ausland der Angriff auf die Pressefreiheit in den Mittelpunkt. Demonstranten gehen für den "Spiegel" auf die Straße: "Augstein raus! Strauß muss rein!" Schließlich tritt Strauß zurück.

"Seit der 'Spiegel'-Affäre kann man sagen, dass der "Spiegel" eine nationale Institution ist", so Augstein. Der erfolgreiche Protest gegen den Staat markiert den Beginn der Studenten- und späteren 68er-Bewegung. Augstein definiert die Linie des Magazins nun als "liberal, im Zweifel links". Dann jedoch sammeln sich auch im Haus selbst Kritiker von Augsteins uneingeschränkter Macht. Daraufhin habe Augstein "einen genialen Schachzug getätigt", sagt Oliver Gehrs, Autor des Buches "Der Spiegel-Komplex". Der Verleger habe "kurzerhand die Mitarbeiter zu 50 Prozent beteiligt an seinem Laden - und dann war plötzlich Stille." Inhaltlich bleibt Augstein tonangebend.

"Geschwätziges Blatt unter anderen"

Auch weiterhin müssen manche Politiker nach Enthüllungen im "Spiegel" zurücktreten. Sei es in der Flick- oder in der Barschel-Affäre. Als Anwort auf die neue Konkurrenz des Magazins "Focus" aus München setzt Augstein 1994 Stefan Aust, den Macher von "Spiegel TV", als Chefredakteur durch und zieht sich selbst zurück. Aust hält den "Focus" auf Distanz, baut die Internet-Ausgabe "Spiegel Online" auf, macht sich mit seinem hierarchischen Führungsstil jedoch wenig beliebt.

Nach Augsteins Tod 2002 vertritt das Magazin oft wirtschaftsnahe Positionen. Drei Jahre später kritisiert Augstein-Tochter Franziska: "Der Akzent auf Wirtschaftsthemen, die Vernachlässigung politischer Entwicklungen und Probleme zugunsten der Personalisierung, die Verlagerung auf die sogenannten weichen Themen - all das kennzeichnet heutzutage den 'Spiegel' und hat das Magazin zu einem geschwätzigen Blatt unter anderen gemacht." 2008 wird Aust abberufen: "Eine Verjüngung an der Spitze und eine Modernisierung im Blatt - das waren für den größten 'Spiegel'-Gesellschafter, die Mitarbeiter KG, die Hauptmotive für die Neubesetzung der Chefredaktion", teilt das Magazin in eigener Sache mit. Seither lenkt eine Doppelspitze die Spiegel-Produkte: die langjährigen Mitarbeiter Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron.

Stand: 04.01.2012

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