31. Mai 1987: Das Wetter ist miserabel, als Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Uwe Barschel von einem Treffen mit Bundeskanzler Helmut Kohl in Bonn zurück Richtung Norden fliegt. Die zweistrahlige Cessna steuert den kleinen Flugplatz Lübeck-Blankensee an, der 15 Kilometer von Barschels Haus in Mölln entfernt liegt. Gegen 23 Uhr beginnt der Landeanflug. Die Sicht ist schlecht. 700 Meter vor der Landebahn streift die Maschine einen Mast und stürzt ab. Barschels Fahrer Karl-Heinz Porsch beobachtet die Tragödie vom Boden aus und eilt zu Hilfe: "Wir haben ihn erstmal aus der Gefahrenzone rausgetragen." Beide Piloten sterben noch vor Ort, Barschels Leibwächter einige Tage später. Barschel hatte sich durch eine Öffnung im Rumpf ins Freie retten können.
Als er nach der Genesung von mehreren Rippen- und Wirbelbrüchen den Landtagswahlkampf beginnt, wirkt Barschel wie ausgewechselt. Der als skrupellos und machtversessen geltende Karrierepolitiker, der es aus einfachen Verhältnissen zum jüngsten Ministerpräsidenten der Bundesrepublik gebracht hatte, schlägt plötzlich andere Töne an: "Wem das Leben buchstäblich noch einmal geschenkt wurde (...), der wird nachdenklicher, der wird auch bescheidener." Politische Kenner glauben allerdings nicht an diese wundersame Wandlung. Für viele sei der Wahlkampf-Auftritt mit Krückstock eine Schauspielerei, sagt Barschels damaliger Parteifreund Henning Schulz: "Ich habe subjektiv für mich gesagt, der Barschel macht da eine ganz eindrucksvolle Attitüde, aber seinen Kern hat das nicht erreicht."
"Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort"
Während Barschel öffentlich über den Sinn des Lebens philosophiert, läuft im Hintergrund eine Kampagne, die einige Monate später ans Licht kommt. Der Christdemokrat lässt bereits seit Wochen seinen SPD-Gegenkandidaten Björn Engholm bespitzeln. Dafür hat der den Journalisten Reiner Pfeiffer als "Medienreferent" in die Staatskanzlei geholt. Der populäre Engholm soll durch Gerüchte über seine angebliche Homosexualität diskreditiert werden. Eine Woche vor der Wahl macht der "Spiegel" die Machenschaften publik. Die CDU verliert die Wahl. Barschel leugnet alle Vorwürfe und gibt wenige Tage später eine Pressekonferenz: "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind." Vier Wochen später wird der 43-Jährige am 11. Oktober 1987 tot in einer Badewanne im Genfer Hotel "Beau Rivage " aufgefunden. Monatelange Ermittlungen ergeben: Es war Selbstmord.
Bis heute hält sich allerdings die These, Barschel sei einem Komplott zum Opfer gefallen. Journalist Wolfram Baentsch glaubt, Barschel habe einen dubiosen Waffendeal aufgedeckt, der über Schleswig-Holstein gehen sollte: Waffen für den damaligen Iran-Irak-Krieg. Das habe Barschels Ethos widersprochen, meint Baentsch, deshalb sei dieser von Geheimdienst-Leuten liquidiert worden. Seiner Ansicht nach war der Flugzeugabsturz kein Pilotenfehler, sondern der erste Mordversuch. Eine Sicht, die Barschels Witwe Freya unterstützt.
Stand: 31.05.07