"Ich finde, so was geht einfach nicht", schreibt Claudius Seidl, Feuilleton-Chef der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) im April 2008. "So eine Sprachkritik ist bescheuert, kleinkariert, unangenehm." Derart in Rage bringt ihn ein Kollege: Bastian Sick. Angefangen hat es mit ironischen Rundmails, die Sick als Schlussredakteur von Spiegel Online seinen Kollegen zum Wochenende schreibt. Darin teilt er ihnen seine Beobachtungen beim Korrekturlesen ihrer Texte mit. Daraus entsteht die Kolumne "Zwiebelfisch", die am 22. Mai 2003 zum ersten Mal ins Netz geht. "Zwiebelfisch ist ein Ausdruck aus der Setzersprache und bezeichnet einen Buchstaben, der fälschlicherweise in einer anderen Typographie gesetzt worden ist", erklärt Sick. Seither wissen seine Leser Bescheid: Die Bewohner der Elfenbeinküste heißen Ivorer. Der Konjunktiv von heben lautet hübe, aber man darf auch höbe sagen. Und die Mehrzahl von Wischmopp lautet Wischmopps.
Der am 17. Juli 1965 in Lübeck geborene Sick hat mit seiner Sprachpflege Erfolg: Rund 3,6 Millionen Exemplare werden von seinem Buch "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" und den beiden Nachfolgebänden verkauft. Seine "Größte Deutschstunde der Welt" im März 2006 mit 15.000 Zuschauern in der Kölnarena wird vom Guinness-World-Records-Team als Weltrekord anerkannt. Doch nicht alle teilen diese Begeisterung: Die Sprache von Mächtigen, die Dinge verschleiern, bleibt ungeschoren, kritisiert FAS-Redakteur Seidl. "Stattdessen macht er sich über arme Dönerbudenbesitzer, die Apostrophe falsch setzen, lustig, und sein gutbürgerliches Publikum lacht sich dabei kaputt." Sick sieht das anders: Er verteidige die Sprache "gegen jene, die der Sprache heute keinen Wert mehr beimessen" - wie es etwa in der Werbung geschehe. Seine Art mit Sprache umzugehen sei eine lustvolle. "Das ist, glaube ich auch, die richtige Art und Weise." Deshalb versuche er, "nicht allzu oberlehrerhaft rüberzukommen".
Ob Sick nun der Hausmeister ist, der den Sprachmüll wegräumt, wie es in der FAS zu lesen ist, oder ob er als Deutschlehrer der Nation gelten kann, wie es die "Welt" formuliert - er bringt Bewegung in die Sprachdebatte: Das Saarland erklärt seine Bücher zur Schullektüre, die Deutsche Bahn korrigiert ihre Ansagen. So heißt es bei Bahnverspätungen statt "Wir bitten um Verständnis" mittlerweile "Wir bitten um Entschuldigung". Sick hatte in seiner Kolumne dargelegt, dass Verständnis nur möglich ist, wenn man weiß wofür. Ohne Gründe fehle dagegen eine Verständnis schaffende Erklärung. Auf eine Frage weiß Sick allerdings keine Antwort: Warum sich die Finnen aus dem Deutschen das Wort "Besserwisser" ausgeliehen haben, die Schweden den "Streber" und die Kanadier den "Klugscheißer".
Stand: 22.05.08