"Kosto", wie die Fangemeinde den in Ungarn geborenen André Kostolany nennt, ist schon zu Lebezeiten eine Legende. Der schmächtige, kleine Mann mit der Fliege kann höchst unterhaltsam über das Börsengeschehen plaudern und ist gern gesehener Gast in Talkshows. Seinen Ruf als Experte erarbeitet sich Kostolany in einem langen Leben auf dem Börsenparkett. Als 18-Jähriger zieht er von Budapest nach Paris, um bei einem Börsenmakler in die Lehre zu gehen. Eigentlich will er Kunstkritiker werden. Doch er nutzt die Chance, eine Ausbildung in der schillernden Seine-Metropole zu machen. In Paris zieht ihn das Geschäft mit den Wertpapieren in seinen Bann. Kostolany lernt schnell. Er spekuliert mit Minenaktien, die sich in wenigen Tagen verdoppeln. Schon lange vor dem Börsencrash von 1929 setzt er auf fallende Kurse, was er auch später oft macht.
1940 flieht Kostolany, dessen Großeltern Juden sind, im Alter von 33 Jahren vor den Nazis nach New York. Er wird amerikanischer Staatsbürger, arbeitet fast ein Jahrzehnt an der Wall Street, kehrt dann aber wieder in sein geliebtes Paris zurück. Seit den sechziger Jahren lebt Kostolany zunehmend nicht mehr an, sondern von der Börse - als Publizist und Vermittler. Er schreibt Kolumnen, Bücher, veranstaltet Seminare. Konkrete Börsentipps gibt er selten, dafür allgemein formulierte Weisheiten. "Kaufen Sie Standardaktien und eine Packung Schlaftabletten und legen Sie sich ein paar Jahre hin", lautet sein am häufigsten zitiertes Bonmot. Der Musikliebhaber mit einem Faible für Richard Strauss und Gustav Mahler wird zum Medienstar, der die Börse in einfachen Bildern beschreiben kann. Kurz vor seinem Tod ist er sogar in einem Werbespot für ein Auto mit Aluminiumfahrgestell zu sehen. In der Limousine philosophiert der 92-Jährige über das Leben und das Geld. Er beteuert, keine Anlagetipps geben zu wollen – um dann augenzwinkernd doch einen zu geben: "Denken sie doch mal über Aluminium-Aktien nach." Nach der Ausstrahlung des Spots gehen die Kurse der Aluminium-Aktien in die Höhe. Ein knappes Jahr später, am 14. September 1999, stirbt André Kostolany im Alter von 93 Jahren in Paris.
Stand: 14.09.04