Letzte Fernsehaufnahmen, Minuten vor dem Attentat: Am 4. November 1995 singen rund 200.000 Demonstranten auf dem Platz der Könige in Tel Aviv "Shir La-Shalom", die Hymne der israelischen Friedensbewegung. Mit dabei ist Yitzhak Rabin, Israels Ministerpräsident, der für gewöhnlich bei öffentlichen Auftritten zurückhaltend auftritt. Jetzt strahlt er.
Die Begeisterung der Menschen signalisiert ihm Zustimmung zu seinen Plänen zur Beilegung der Konflikte Israels mit den Palästinensern und den arabischen Nachbarn. "Das war meiner Meinung nach der glücklichste Tag in seinem Leben", sagt Shimon Peres, damals Außenminister.
Oslo-Verträge geschlossen
Gemeinsam winken Rabin und Peres in die Menge. Die Kundgebung endet, Rabin steigt die Stufen der Rednertribüne hinab, geht zu seinem Wagen, umringt von Menschen - da fallen Schüsse. Der 73-Jährige stirbt noch am selben Abend. Der Attentäter ist ein rechtsextremer Jude. Für den Jura-Studenten aus einer orthodox-religiösen Familie ist Rabins Politik eine Provokation.
Rückblick: 1992 wird Rabin - nach einer Amtszeit in den 1970er Jahren - abermals zum Ministerpräsidenten gewählt. Bald treffen sich Mitarbeiter seiner Regierung zu Geheimverhandlungen mit Palästinenservertretern in der norwegischen Hauptstadt. Im September 1993 unterzeichnen PLO-Chef Jassir Arafat und Rabin in Washington den Oslo-I-Vertrag. Zwei Jahre später, kurz vor Rabins Ermordung, folgt Oslo II.
Friedensnobelpreis gemeinsam mit Arafat
Die Verträge sehen schrittweise einen israelischen Rückzug aus den besetzten Gebieten und eine begrenzte palästinensische Selbstverwaltung vor. Mit dem Nachbarland Jordanien erreicht Rabin im Oktober 1994 zudem einen Friedensvertrag.
Im Dezember 1994 erhalten Rabin und Peres sowie Arafat der Friedensnobelpreis. International gefeiert, schlägt dem einstigen Armee-General und früheren Verteidigungsminister Rabin in Israel Hass entgegen. Orthodoxe und Ultrarechte beschimpfen ihn wegen seiner "Land-für-Frieden"-Pläne.
Landesweite Proteste
Das ganze Jahr 1995 über kommt es landesweit zu Protesten gegen den Nahost-Friedensprozess. Nachts marschieren politische Gegner in Gruppen vor Rabins Privatwohnung auf. Plakate zeigen Israels Premier in SS-Uniform. Bei einer Großdemonstration in Jerusalem spricht Benjamin Netanjahu, Chef der konservativen Likud-Partei. Auch er lehnt die Oslo-Verträge ab.
Rabin, Mitglied der Arbeiterpartei, antwortet im November mit einer Friedensdemonstration in Tel Aviv - seiner letzten. Sechs Monate nach Rabins Ermordung wird Netanjahu neuer Ministerpräsident. Der Oslo-Prozess ist am Ende.
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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 4. November 2020 ebenfalls an Yitzhak Rabin. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.
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