Tel Aviv, November 1995: Verkleidet fährt Jassir Arafat heimlich durch die nächtliche Stadt. Er ist auf dem Weg zu Lea Rabin. Denn der PLO-Chef will der Witwe des israelischen Ministerpräsidenten, der wenige Tage zuvor ermordet wurde, persönlich kondolieren. Unter dem Motto "Ja zum Frieden, nein zur Gewalt" hat am 4. November eine Friedensdemonstration stattgefunden: Ein ultra-orthodoxer Jude tötete Jitzhak Rabin mit drei Schüssen in den Rücken. Mit der Tat soll die Osloer Friedensvereinbarung mit den Palästinensern sabotiert werden. Rabin hatte 1993 das Abkommen unterzeichnet und dafür zusammen mit seinem damaligen Außenminister Shimon Peres und Arafat den Friedensnobelpreis bekommen. Die Ermordung ihres Mannes ist für Lea Rabin ein Wendepunkt in ihrem Leben. Die ehemalige First Lady wird zur prominentesten Friedensbotschafterin Israels, zur Nachlassverwalterin ihres Mannes. Fortan reist sie zu Treffen mit Staatschefs um die Welt, um für die Aussöhnung zwischen Juden und Palästinensern zu werben. Eine Zeit lang wird sie als mögliche UN-Botschafterin ihres Landes gehandelt.
Geboren wird Lea Rabin am 8. April (nach anderen Quellen am 28. April) 1928 in Königsberg, als deutsche Jüdin mit dem Nachnamen Schlossberg. Kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten flieht die Familie 1933 nach Palästina, wo ihr Vater in Tel Aviv ein Hotel pachtet. Mit 15 Jahren lernt Lea in einer Eisdiele Jitzhak Rabin kennen. Er ist 21 Jahre alt und kämpft im Untergrund für ein unabhängiges Israel. Sie schließt sich ihm an. Während des Unabhängigkeitskrieges 1948 heiraten die beiden. Lea studiert Pädagogik, doch als Lehrerin arbeitet sie nur kurze Zeit. Sie kümmert sich um ihre Tochter Dalia und ihren Sohn Jubal, die in den 50er Jahren auf die Welt kommen. Ihr Mann macht derweil militärisch und politisch Karriere im jungen Staat Israel. 1967 wird er als Generalstabschef der israelischen Armee ein Held des Sechs-Tage-Krieges. 1974 wird er zum ersten Mal israelischer Premier, stürzt aber drei Jahre später über ein illegales Dollarkonto von Lea. In den 80er Jahren geht Jitzhak Rabin als Verteidigungsminister brutal gegen die erste Intifada vor.
Anfang der 90er Jahre ändert Jitzhak Rabin seine Position und setzt sich für einen Frieden mit den Palästinensern ein. In Israel werden die Rabins dafür heftig kritisiert: "Jeden Freitag, wenn wir nach Hause kamen, standen sie da und haben geschrien, bis sie heiser waren", erinnert sich Lea Rabin. "'Verräter', haben sie geschrien und: 'Wir werden euch aufhängen wie Mussolini und seine Geliebte.'" Nach dem Mord beschuldigt sie israelische Politiker, gegen ihren Mann gehetzt zu haben. Als die rechte Likud-Partei unter Benjamin Netanjahu 1996 die Wahlen gewinnt und der Friedensprozess ins Stocken gerät, sieht sie das Lebenswerk ihres Mannes bedroht. Im Jahr darauf veröffentlicht Lea Rabin unter dem Titel "Ich gehe weiter auf seinem Weg" ihre Erinnerungen an das Leben mit ihm. Darin wehrt sie sich gegen die Deutung, Rabin habe sich vom 'Falken' zum Friedensstifter gewandelt. Er habe sich zwar zeitlebens für die Sicherheit Israels mit Hilfe einer starken Armee eingesetzt, für ihn sei aber immer jener Krieg der beste gewesen, "den man vermeiden kann". Lea Rabin stirbt am 12. November 2000 in Tel Aviv an Lungenkrebs.
Stand: 08.04.08