Winston Churchill grüßt am 06.04.1955 mit dem V-Zeichen

19. Juli 1941 - Winston Churchill propagiert das Victory-Zeichen

Stand: 19.07.2016, 00:00 Uhr

Mitten im Zweiten Weltkrieg: Der Buchstabe V breitet sich rasant über das von den Deutschen besetzte Europa aus. Die Bevölkerung der unterworfenen Länder kritzelt ihn auf Bürgersteige, Plakate und Kotflügel deutscher Autos. Den Briten ist ein Propaganda-Coup gelungen: Das Symbol steht für das englische Wort "Victory" ("Sieg"). Am 19. Juli 1941 hat der britische Premier Winston Churchill in einer BBC-Radiobotschaft für das V als Zeichen des Widerstandes werben lassen: "Das V ist das Symbol für den unbezwingbaren Willen der besetzten Gebiete und ein Omen für das Schicksal, das die Nazis erwartet."

Die Idee dazu stammt ursprünglich nicht von Churchill, sondern vom belgischen Justizminister Victor de Laveleye. Er geht 1940 nach London ins Exil und hält in Radio Belgique, einer Station der BBC, Ansprachen an seine Landsleute. Im Januar 1941 fordert er die Zuhörer auf, das V-Zeichen zu verbreiten. Auf Französisch und Flämisch funktioniert das Zeichen ebenfalls: V für Victoire, V für Vrijheid. Churchill macht das V zu seinem Markenzeichen. Fortan ist er bei jeder Gelegenheit mit gespreiztem Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand zu sehen.

Bogenschützen belegen Einsatzfähigkeit

Die Geste gibt es schon seit dem 14. Jahrhundert - allerdings nicht als Siegessymbol, sondern als Beleidigung: "Zeige- und Mittelfinger wurden im Mittelalter zum Spannen des Bogens benötigt", sagt die Gestenforscherin Ulrike Lynn von der TU Chemnitz. "Den gefangenen Schützen trennten die Sieger gern diese beiden Finger und den Daumen ab, sodass sie dann nie wieder schießen konnten." Aus dem Hundertjährigen Krieg, der von 1373 bis 1453 dauert, sei überliefert, "dass englische Bogenschützen vor und nach dem Kampf die Victory-Geste ausführten, um ihren Gegner die gesunden Finger zu zeigen und somit Sieg oder Siegeswillen zum Ausdruck zu bringen."

Das Victory-Zeichen mit dem Handrücken nach außen ist in Großbritannien bis heute eine obszöne Beleidigung. Churchill scheint das nicht zu wissen. Er posiert auch mit dieser Version der Geste immer wieder für Fotos. Auf den Erfolg des Symbols hat dies keinen negativen Einfluss. Die BBC verwendet für die akustische Untermalung ihrer "V for Victory"-Kampagne den Morsecode für den Buchstaben V: kurz-kurz-kurz-lang. Weil dies wie das Tatata-taa aus dem ersten Satz von Ludwig van Beethovens Fünfter Sinfonie klingt, leitet die BBC mit diesen Musiktakten auch ihre deutschsprachigen Radiosendungen ein.

Hippies zeigen Peace-Zeichen

"V for Victory" entwickelt im Kriegssommer 1941 propagandistisch eine enorme Durchschlagskraft. "So große sogar, dass die Nationalsozialisten selbst richtig Angst bekommen, und versucht haben, eine Gegenkampagne zu starten, eben auch mit so einem Victory-Zeichen", sagt Gestenforscherin Lynn. "Sie nannten es Victoria, hatten aber überhaupt keinen Erfolg damit." Innerhalb weniger Tage wird das V-Zeichen auch in den USA gezeigt: Über New York formieren sich zum Beispiel fünf Transportmaschinen der American Airlines zu einem V. Auch am "Victory in Europe-Day" am 8. Mai 1945, dem VE-Day, sind die gespreizten Finger überall zu sehen.

In den folgenden Jahrzehnten erhält das Handzeichen eine zusätzliche Bedeutung. Es wird von der Hippie-Bewegung übernommen und steht nun für Peace. Ob das Friedenszeichen eine Abwandlung des Victory-Zeichens ist oder eine Neukreation darstellt, bleibt unklar. So wie es Wörter mit doppelter Bedeutung gebe - zum Beispiel die Leiter und der Leiter -, sagt Forscherin Lynn, sei dies auch für Gesten denkbar. Jedenfalls wird die Geste immer wieder gezeigt - in allen Lebenslagen und in allen Bedeutungsvarianten: etwa bei Selfies, in der Politik oder vor Gericht.

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