Letzte Reste einer Grenzmauer zwischen Kerkrade und Herzogenrath

13. Juli 1991 - Deutsch-niederländische Modellgemeinde Eurode entsteht

Stand: 13.07.2016, 00:00 Uhr

Es gibt eine Gegend, in der müssen die Bewohner nicht einmal den Raum verlassen, um ins Ausland zu reisen. Der Ort heißt Eurode – unter diesem Namen haben die niederländische Stadt Kerkrade und die deutsche Stadt Herzogenrath am 13. Juli 1991 ihre grenzüberschreitende Zusammenarbeit beschlossen. Die beiden Stadträte ließen sogar ein Bürogebäude auf der Grenzlinie errichten: das Eurode Business Center (EBC), ein an sich nüchterner Bürokomplex. Doch im Innern verläuft zwischen den Bodenfliesen eine schmale Linie. "Das ist die deutsch-niederländische Grenze, die durch das EBC geht", erklärt Christoph van den Driesch, der Bürgermeister von Herzogenrath.

"Wir leben hier Europa"

Eurode, das heißt: In Kerkrade und Herzogenrath arbeiten die Menschen in fast allen Bereichen über die Grenze hinweg zusammen. Die Polizisten gehen gemeinsam auf Streife, niederländische und deutsche Kinder spielen in den gleichen Kindergärten und die Kerkrader und die Herzogenrather bringen sich in den gleichen Vereinen ein. Koordiniert wird all das, seit 1998 auch offiziell als Körperschaft, im deutsch-niederländischen Eurode-Rat. "Wir leben hier Europa. Das heißt auch, dass wir im Leben viele Sachen zusammen machen", sagt Jos Som, Kerkrades Bürgermeister.

Der Name Eurode ist ein Rückverweis auf die einst gemeinsamen Herren dieser niederländisch-deutschen Gegend, die Herzöge von Rode. Das Land van Rode gehörte als Gebiet bis 1815 zusammen und wurde erst im Zuge des Wiener Kongresses durch eine veränderte Grenze getrennt.

Als Theo Kutsch 1922 in Herzogenrath geboren wird, sind die Kontakte noch eng – bis zum Beginn des Dritten Reichs. Die Nationalsozialisten riegeln die Grenze ab und nach dem Zweiten Weltkrieg errichten die Alliierten den nächsten Zaun.

Der Stacheldraht wird durch ein Betonmäuerchen ersetzt

Der Stacheldraht trennt Freunde und Verwandte über Jahrzehnte. Das ärgert Theo Kutsch und bringt den bekannten Förderer der Grenzzusammenarbeit in Eurode Mitte der 1960er-Jahre auf eine Idee. In der Aachener Volkszeitung erscheint am 1. April ein Artikel mit der Überschrift: "Land Rode ohne Grenzen! Lange Bemühungen hatten endlich Erfolg: Erste Europastadt wurde geboren." Geschrieben hatte den Aprilscherz-Artikel Theo Kutsch.

Doch er meint es ernst: Theo Kutsch beginnt, Briefe an Politiker zu schreiben. Er fordert, der Zaun solle verschwinden, die Grenze wieder so offen sein wie früher. Immerhin wird der Stacheldraht 1970 durch ein Betonmäuerchen ersetzt. Und nochmal 20 Jahre später wird aus Herzogenrath und Kerkrade endlich die Modellgemeinde Eurode. Die beiden Bürgermeister führen heute das europäische Pionierprojekt fort. Dabei versuchen sie nicht, die Unterschiede zwischen den Mentalitäten gleichzumachen. "Bevor sie eine Entscheidung treffen, fragen die Deutschen noch dreimal nach: Stimmt das? Bei uns wird das etwas schneller gemacht", erklärt Jos Som, Bürgermeister im niederländischen Teil der Eurode. Und er sagt es so, als ob es ihn nicht weiter stört.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 13. Juli 2016 ebenfalls an die Eurode. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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