Ist sein Vater tatsächlich ein deutscher Biophysiker oder doch ein ungarischer Mathematiker? Robert "Bobby" James Fischer, 1943 in Chicago geboren, erfährt es nie. Er wächst vaterlos auf, "mit einer exzentrischen Mutter und emotional verwahrlost", sagt der deutsche Schachgroßmeister Helmut Pfleger.
Der Junge mit einem IQ von angeblich 186 entwickelt eine bizarre Persönlichkeit. Mit sechs Jahren beginnt er, völlig in die Mathematik des Schachs abzutauchen. Mit 14 Jahren wird Fischer der bis dahin jüngste US-Meister. Das Wunderkind bricht die Schule ab und erringt den Titel eines Großmeisters.
Sieger im "Match des Jahrhunderts"
"Ich genieße den Moment, wenn ich das Ego eines Mannes zerstöre", zitiert "Der Spiegel" Bobby Fischer, als er sich 29-jährig für den Kampf um die WM-Krone qualifiziert. Im Juli 1972 soll er in Islands Hauptstadt Reykjavik gegen den sowjetischen Weltmeister Boris Spasski antreten.
Bobby Fischer (re.) 1972 im WM-Duell gegen Boris Spassky
Die Weltpresse erwartet das Match des Jahrhunderts, den Kampf der Systeme - aber Fischer kommt nicht. Erst als US-Außenminister Henry Kissinger ihm telefonisch ins Gewissen redet und ein britischer Millionär das Preisgeld deutlich erhöht, reist Bobby Fischer nach Island.
Die erste Partie verliert er, zur zweiten tritt er nicht an, die dritte wird eine seiner besten. In weiteren Partien innerhalb von sechs Wochen zerstört Fischer die Sowjet-Schachhegemonie und wird überlegen Weltmeister. Psychisch ein Wrack, verschwindet er von der Bildfläche. Zur Titelverteidigung 1975 tritt er nicht mehr an.
Staatsbürger Islands
Mitten im Bosnien-Krieg taucht Fischer 1992 in Belgrad wieder auf. Für ein immenses Preisgeld spielt er ein Schauduell gegen Spasski. Dass er damit gegen ein amerikanisches Wirtschaftsembargo verstößt, stört ihn nicht: Verächtlich bespuckt Fischer vor laufender Kamera ein Warnschreiben aus Washington. Als Persona non grata ist Fischer von nun an auf der Flucht.
Bobby Fischer 2005 nach seiner Festnahme in Japan
Aufsehen erregt er nur noch mit antiamerikanischen und antisemitischen Tiraden. Weil ihm die USA 2004 den Pass entziehen, wird er in Japan festgenommen. Als Island ihm die Staatsbürgerschaft anbietet, übersiedelt Fischer nach Reykjavik. Dort stirbt das größte Schachgenie des Jahrhunderts am 17. Januar 2008 mit 64 Jahren an Nierenversagen.
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