Schachweltmeister Alexander Aljechin bei einem Schachturnier in St. Petersburg

Stichpunkt

24. März 1946 - Tod von Schachweltmeister Alexander Aljechin

In seiner 1929 erschienenen Novelle "Lushins Verteidigung" lässt Vladimir Nabokov den Titelhelden "das ganze Grauen der unergründlichen Tiefen des Schachs" erkennen. Nabokovs Vorbild ist der damalige Schachweltmeister Alexander Aljechin, Erfinder der berühmten "Aljechin-Verteidigung". "Aljechins Spiel war ungeheuer kompliziert, komplizierter als das jedes anderen Spielers vor oder nach ihm", urteilt Bobby Fischer. Wie der amerikanische Weltmeister von 1972 bis 1975 verkörpert Alexander Aljechin alle Klischeevorstellungen eines großen Schachgeistes auf dem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn.

Schach als psychologische Kriegsführung

Bereits mit 16 Jahren erringt der 1892 geborene Sohn eines Moskauer Gardeoffiziers die russische Meisterschaft; fünf Jahre später besiegt er in einem Schauturnier den deutschen Weltmeister Emanuel Lasker vernichtend. Doch in der Oktoberrevolution fällt seine Familie in Ungnade, Aljechin selbst wird als Konterrevolutionär zum Tode verurteilt. Wahrscheinlich durch die Protektion des begeisterten Schachspielers Leo Trotzki kann Aljechin nach Paris ins Exil gehen. Dort entwickelt sich der junge Schachprofi, für den Schach kein Spiel, sondern psychologische Kriegsführung darstellt, zum Schrecken aller Gegner.

Akribisch bereitet sich Aljechin auf die Begegnung mit dem amtierenden Weltmeister José Raúl Capablanca vor. Der Kubaner weicht dem unvermeidbaren Duell lange aus; erst 1927 kommt es in Buenos Aires zum Kampf der Giganten. Nach fast vier Monaten gewinnt Alexander Aljechin das mit 34 Partien längste WM-Turnier aller Zeiten. Eine Revanche wird der neue Weltmeister dem Unterlegenen nie geben. Aljechin steht nun auf dem Gipfel seiner Karriere, doch genießen kann er den Ruhm nicht. Ständig unter Geldmangel leidend hetzt er ruhelos von Turnier zu Turnier, spielt nahezu pausenlos Blind- und Simultanpartien gegen Dutzende von Gegnern.

Als Nazi-Freund Schach matt

Der dauernde Druck des Gewinnenmüssens macht aus dem Schach-Besessenen einen unbeherrschten Choleriker, Kettenraucher und Alkoholiker. Erst 1935 lässt sich Aljechin gegen den holländischen Herausforderer Max Euwe auf die längst fällige WM-Verteidigung ein – und verliert. Der Schock sitzt so tief, dass sich Aljechin noch einmal zusammenreißt und zwei Jahre später den Titel von Euwe zurückgewinnt. Doch während des Zweiten Weltkriegs setzt Aljechins endgültiger Niedergang ein. Der frühere Deutschen-Hasser wandelt sich zum antisemitischen Nazi-Kollaborateur und spielt demonstrativ nur noch im deutschen Machtbereich. Für die internationale Schachwelt wird er zur persona non grata. Vor der Invasion der Alliierten flüchtet Aljechin 1944 zunächst nach Spanien, dann weiter nach Portugal.

Völlig isoliert und mittellos verlebt er seine letzten Monate in einem Hotel in Estoril. Am 24. März 1946 meldet die Nachrichtenagentur Reuters den Tod des verfemten Weltmeisters, der bis heute unter Experten als bester Schachspieler aller Zeiten gilt. Angeblich soll er beim Abendessen an einem Stück Fleisch erstickt sein, doch Selbstmordgerüchte sind nie verstummt.

Stand: 24.03.2011

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