Rudolf-August-Oetker

20. September 1916 - Rudolf-August Oetker wird geboren

Stand: 20.09.2016, 00:00 Uhr

Im Mai 1945 ist Bielefeld eine zertrümmerte Stadt. "Wir konnten nur den Schutt wegräumen und damit fing der Wiederaufbau an", erinnert sich Rudolf-August Oetker später. Ein halbes Jahr zuvor hat er die Mutter, den Stiefvater und zwei Halbschwestern bei einem amerikanischen Bombenangriff auf die Stadt verloren. Seitdem leitet der 29-Jährige die von seinem Großvater gegründete Nahrungsmittelfabrik.

Bei Kriegsende sind von den ehemals 2.000 Beschäftigen noch 700 übrig geblieben, die für einen Stundenlohn von 50 Pfennig arbeiten. Oft steht der Chef persönlich am Tor, um sich bei den Mitarbeitern zu bedanken. Dann kommt der Aufschwung. Nach den Jahren des Hungerns und Darbens sind die Deutschen ganz versessen auf Pudding- und Backpulver aus dem Hause Dr. Oetker. "Er war im Grunde der erste Unternehmer, der große Umsätze machte, weil die Leute etwas zu essen brauchten", erzählt Wirtschaftsjournalist Rüdiger Jungbluth über die ersten Nachkriegsjahre.

Dem Hitlerregime verbunden

Geboren wird Rudolf-August Oetker am 20. September 1916 mitten im Ersten Weltkrieg. Seinen leiblichen Vater lernt er nie kennen, der fällt noch vor seiner Geburt bei Verdun. Von ihm erbt er nur den Vornamen Rudolf. Die Firma führt der Großvater Dr. August Oetker, der einst als Apotheker Backpulver in Tütchen abgepackt und mit viel unternehmerischem Geschick die Nahrungsmittelfabrik in Bielefeld aufgebaut hat.

Doch der frühe Tod des Sohns wirft den Firmengründer aus der Bahn. Als dieser zwei Jahre später stirbt, hat er seinen zweijährigen Enkel zum künftigen Unternehmenslenker bestimmt. Fortan wird Rudolf-August Oetker konsequent auf seine Aufgaben vorbereitet. Mit 17 Jahren wird er Teilhaber, mit 20 Jahren absolviert er eine Banklehre und mit 23 Jahren arbeitet er im Hamburger Oetker Zweigwerk.

NS-Vergangenheit erst nach dem Tod aufgearbeitet

In den dreißiger und vierziger Jahren profitiert das Unternehmen von der Nähe zur Partei. Wie andere Familienmitglieder ist auch Rudolf-August dem Hitlerregime verbunden. Der Stiefvater gehört zum Freundeskreis Heinrich Himmler, Oetker selbst ist in der Waffen SS. So verkaufen sich Back- und Puddingpulver auch während des Krieges glänzend und werden sogar an die Front geliefert.

Nach 1945 ist die NS-Zeit ein absolutes Tabuthema für Rudolf-August Oetker. Die Kinder lassen erst nach seinem Tod die Firmengeschichte aufarbeiten. Statt sich um die Vergangenheit zu kümmern, erneuert der als bescheiden und bodenständig geltende Unternehmer den maroden Maschinenpark und baut größere Fabrikhallen. Bereits 1950 werden 400 Millionen Päckchen Backpulver und 350 Millionen Päckchen Puddingpulver produziert - ein historischer Rekord, der sich niemals wiederholt.

Unternehmen auf Expansionskurs

Als die Fresswellen abebben, erschließt der achtfache Vater mit sicherem Gespür neue Geschäftsfelder: 1970 bringt er die erste Tiefkühlpizza auf den Markt, beteiligt sich an Brauereien, Banken, Versicherungen und Reedereien. Damit streut Oetker das unternehmerische Risiko und verdient das Kapital für den Ausbau zum weltweiten Konzern. "Man soll nicht alle Eier in einen Korb legen", lautet seine Devise. Die Mitarbeiter beschreiben ihren Chef als höflich, sparsam und bescheiden. Eigenschaften, mit denen er gerne kokettiert. "Ich mache immer das Licht aus." Auch brauche er das Seifenstück immer ganz auf.

Spartanisch lebt der Bielefelder dennoch nicht. Er besitzt eine Villa an der Elbe, unterhält Häuser in New York, Argentinien, London und sammelt mit viel Leidenschaft Kunst und Antiquitäten. Auch als einer der reichsten Männer Deutschlands bleibt ihm der Kontakt zu den Mitarbeitern wichtig. Zu seinem 90. Geburtstag lädt Oetker 500 Pensionäre zu Kaffee und Kuchen ein. Da hat er die Firmenleitung längst an seinen Sohn Richard übertragen. Rudolf-August Oetker stirbt im Januar 2007, wenige Monate nach seinem 90. Geburtstag.

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