Mit dem "Cash & Carry"-Prinzip lernt der deutsche Einzelhandel Ende der 1950er-Jahre eine neue Einkaufsform aus den USA kennen. Statt sich Ware liefern zu lassen, holen die Händler sie nun billiger gegen Barzahlung in Selbstbedienungs-Großmärkten ab.
Zu den ersten Cash-and-Carry-Märkten in NRW zählen die Ratio und der Handelshof. Doch sie bekommen einen Rivalen, der sie bald alle überholen wird: Am 8. November 1963 eröffnen Ernst Schmidt und Wilhelm Schmidt-Ruthenbeck in Essen den ersten Metro-Großmarkt – die Keimzelle des künftigen weltumspannenden Metro-Konzerns.
Beginn der Ära Beisheim
Walter Vieth, Geschäftsführer des ersten Metro-Großmarktes, kann seine Ware eigentlich nur für gewerblichen Bedarf verkaufen. Als Großhandel darf die Metro nämlich die gesetzliche Preisbindung des Einzelhandels unterlaufen und statt vier nur ein Prozent Umsatzsteuer berechnen.
Natürlich, so räumt Vieth später ein, habe aber auch der private Bedarf der Kunden eine große Rolle beim Umsatz gespielt, "sehr zum Ärger des Finanzamtes und auch der Konkurrenz". Denn obwohl offiziell verboten, kaufen die Händler in der Metro auch für den Eigenbedarf ein – vor allem Lebensmittel, Schreibwaren und Elektrogeräte bis hin zu Möbeln.
Als 1964 ein Elektrogroßhändler in Mülheim/Ruhr einen noch größeren C&C-Markt plant, schlägt Walter Vieth vor, sich zusammenzutun. Chef und Mitgesellschafter der neuen Metro Cash und Carry GmbH & Co. KG wird Otto Beisheim, Ex-Angehöriger der SS-Leibstandarte Adolf Hitler. Dem später als Metro-Gründer gefeierten Unternehmer gelingt es, auch die millionenschwere Duisburger Investment-Holding Haniel ins Boot zu holen.
Zeichen der Zeit nicht erkannt
Otto Beisheim, Mitgründer des Metro Konzerns
Beisheim, ein "begnadeter Macher und Manager" (Vieth), wird die zentrale Figur der Metro. Er setzt auf Expansion, öffnet Märkte in ganz Deutschland und kauft jeden SB-Markt mit großen Umsatzchancen. 1975 macht die Metro bereits mehr als drei Milliarden Mark Umsatz; zehn Jahre später gebietet Beisheim über Filialen in 13 Ländern.
1996 fusioniert das Unternehmen mit dem Kaufhof zur Metro AG. Otto Beisheim ist nun Multimilliardär und die Metro der größte Handelskonzern Europas – mit Schuh- und Computerketten, Discountern, Baumärkten und Immobilien. Doch der Konzernriese verpasst den Aufbruch ins Online-Geschäft, die Gesellschafter zerstreiten sich und Beisheim geht grollend. Seit 2003 stößt die schlingernde Metro Group zahlreiche Bereiche ab, um sich im angestammten Cash-and-Carry-Handel wieder zu konsolidieren.
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