Helmut Horten und Chauffeur an Luxus-Limousine auf Flughafen Lugano

30. November 1987 - "Kaufhaus-Milliardär" Helmut Horten stirbt

Stand: 30.11.2017, 00:00 Uhr

Die Eingangshalle ist zur Eröffnung des Hauses festlich geschmückt. Vorn im Auditorium sitzen die Honoratioren der Stadt und hören Mozart. Draußen stehen an jenem 1. Dezember 1948 die Duisburger und staunen. Die meisten von ihnen leiden noch unter dem Mangel der Nachkriegsjahre und sehnen ein schöneres Leben herbei. Und nun ragt da vor ihnen mitten in der Stadt sechs Stockwerke hoch ein Symbol der neuen Zeit auf.

Helmut Horten hat die Gunst der Stunde genutzt, als im Juni 1948 die D-Mark eingeführt wurde. Während große Teile des Ruhrgebiets noch in Trümmern liegen, errichtet er in Duisburg in nur hundert Tagen ein modernes Kaufhaus. Der Unternehmer ist damals 39 Jahre alt; vor 1945 hat er bereits mehrere Kaufhäuser besessen. Mit dem "100-Tage-Haus" startet er neu durch. 20 Jahre später wird Horten die viertgrößte Kaufhauskette Deutschlands betreiben.

Helmut Horten, Unternehmer (Todestag 30.11.1987)

WDR 2 Stichtag 30.11.2017 04:14 Min. Verfügbar bis 28.11.2027 WDR 2


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Profiteur der "Arisierung"

Der 1909 in Bonn geborene Juristensohn macht nach dem Abitur eine Lehre zum Textilkaufmann. Im Düsseldorfer Kaufhaus Tietz, eines der größten in Europa, lernt Helmut Horten alle Finessen des Geschäfts. Als er 1936 das jüdische Traditionshaus "Gebrüder Alsberg" in Duisburg günstig übernehmen kann, greift er zu. Es ist die Zeit der sogenannten Arisierung durch die Nazis. Horten sei aber weder Parteimitglied noch Antisemit gewesen, meint Ulrich Soénius, Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs: "Er hat einfach die Zeichen der Zeit erkannt und das Geschäft gerochen."

Horten entlässt alle jüdischen Mitarbeiter, wirbt mit dem Spruch "Jetzt in arischem Besitz" und übernimmt sechs weitere Kaufhäuser von vertriebenen jüdischen Vorbesitzern. Statt in den Krieg ziehen zu müssen, übertragen ihm die Nazi-Behörden die Verteilung von Textilien in den von Bomben zerstörten Städten des Westens. Nach Kriegsende wird Horten deshalb von den Briten für anderthalb Jahre in einem Lager in Recklinghausen interniert. Angeblich erzwingt er mit einem Hungerstreik 1948 seine Entlassung.

Waren schon vor Kriegsende gehortet

"Das passt in das Bild eines sehr energischen und durchsetzungsfähigen Menschen, der, wenn er sich etwas vorgenommen hat, das auch durchbringt", beschreibt Soénius den Charakter Hortens. Die Regale seines neuen Kaufhauses in Duisburg zu füllen, fällt Horten nicht schwer. Seit 1944 hat er Warenbestände in einem alten Schacht der Hamborner August-Thyssen-Hütte gelagert. Als Generalbevollmächtigten und Werbechef stellt Horten einen alten Bekannten ein, den früheren SS-Obersturmbannführer Rudolf Tesmann, später Mitglied des Präsidiums des Wirtschaftsrats der CDU.

Helmut Horten stehend vor seinem Schreibstisch, 1969

Kaufhaus-König Helmut Horten 1969 in seinem Büro

Mit dem Duisburger "100-Tage-Haus" legt Helmut Horten den Grundstein zu einer rasanten Wirtschaftswunder-Karriere. Als alleiniger haftender Gesellschafter vergrößert er sein Unternehmen durch den Zukauf zweier kleiner Warenhausketten und eröffnet in kurzen Abständen nach amerikanischem Vorbild weitere Filialen, die alle seinen Namen tragen. Ende der 60er-Jahre besitzt Horten ein Milliarden-Vermögen, eine mondäne Villa in Düsseldorf mit Rolls-Royce-Fuhrpark und eine der größten Luxusjachten der Welt.

Prototyp des "Steuerflüchtlings"

Seiner 32 Jahre jüngeren Ehefrau Heidi schenkt Horten 1966 zur Hochzeit den "Blauen Wittelsbacher", einen 35-Karat-Diamanten aus Bayerns Kronjuwelen. Drei Jahre später überrascht der "Kaufhaus-König" erneut die Öffentlichkeit. So konsequent, wie er zuvor rastlos seinen Aufstieg betrieben hat, verkauft Horten nun seine mehr als 50 Warenhäuser und übersiedelt in die Schweiz – steuerfrei mitsamt der rund eine Milliarde Mark, die ihm sein Imperium eingebracht hat.

Horten nutzt dazu eine Lücke im deutschen Finanzrecht und wird so zum Prototyp des "Steuerflüchtlings". Das Außensteuergesetz, mit dem die Bundesregierung 1972 das Leck abdichtet, trägt in der Fachliteratur bis heute den Namen "Lex Horten". Am 30. November 1987 stirbt Helmut Horten kinderlos. Seine Witwe Heidi ist seither eine der reichsten Frauen Europas. Die Quelle ihres Vermögens aber, die Horten Kaufhäuser, ist längst verschwunden und in der Metro-Kaufhof-Gruppe aufgegangen.

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"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 30. November 2017 ebenfalls an Helmut Horten. Auch das "ZeitZeichen" gibt es als Podcast.

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