Historisches Pissoirs, Scherzname "Café Achteck" in Berlin

19. Juli 1834 - Erste öffentliche Pissoirs in Paris

Stand: 19.07.2019, 00:00 Uhr

Pecunia non olet – Geld stinkt nicht, hat bereits der römische Kaiser Vespasian erkannt. Im ersten Jahrhundert n. Chr. lässt er öffentliche Latrinen aufstellen, erhebt darauf eine Steuer und verkauft den Urin als wertvollen Grundstoff an Gerber und Färber. So schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: Roms Straßen werden bedeutend sauberer, und die Senatskasse füllt sich.

Die restlichen menschlichen Exkremente spült man über die "Cloaca Maxima" aus der Stadt hinaus. Mit dem Untergang des Römischen Imperiums allerdings geht das technische Wissen für Kanalisationen und deren Bedeutung für die öffentliche Hygiene verloren.  

Erste Pissoirs entstehen in Paris (am 19.07.1839)

WDR 2 Stichtag 19.07.2019 04:08 Min. Verfügbar bis 16.07.2029 WDR 2


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Plakatsäulen mit Innen-Urinal

Bis weit in die Neuzeit hinein liegt über Europas Städten ein infernalischer Gestank. Die Menschen verrichten ihr Geschäft ungeniert in aller Öffentlichkeit und waten auf den Straßen durch Kot und Urin. In Paris werden unter König Ludwig XV. (1715-1774) erstmals an einigen großen Straßenkreuzungen Pinkelgefäße aufgestellt.

Betuchtere können sich sitzend, umhüllt vom weiten Mantel eines Abort-Anbieters, in einen Eimer entleeren. Im beginnenden 19. Jahrhundert verlangt das wohlhabende Bürgertum nach Reinlichkeit vor seinen Häusern. Nicht zuletzt, weil die Wissenschaft inzwischen ungeregelt entsorgte Fäkalien als Brutstätte für Seuchen brandmarkt.

Im Juli 1834 gibt der Polizeipräfekt von Paris bekannt: "Ich habe versuchsweise auf dem Boulevard Montmartre und dem Boulevard des Italiens die Errichtung von Plakatsäulen mit Innen-Urinal-Ständen gestattet". Denn es sind vor allem die jederzeit und allerorten urinierenden Männer, die in der schnell wachsenden Metropole unangenehm auffallen.

"Notdurft-Chalets" für Damen

Toilettenhäuschen; Rechte: pa/ dpa

Öffentliche Pissoirs heute: Erleichterung in der Plastikbox

So errichtet man vor 185 Jahren für die Wildpinkler in Paris die ersten öffentlichen Pissoirs. Niemand kann sich heute noch erinnern, warum die Urinale eine säulenartige Form im Stil muslimischer Minarette erhalten haben, mit "einer drohend in den Himmel ragenden Spitze oben drauf", wie ein Zeitgenosse bemerkt.

Die Damen können sich erst ab 1902 in öffentlichen Bedürfnisanstalten erleichtern. Im Deutschen tauft man sie "Notdurft-Chalets". Für die Männer von Paris gibt es da bereits 5.200 Stehplätze in 1.600 eisernen, steinernen oder blechernen Pissotièren. In den 1970er-Jahren werden sie abgeschafft und durch selbstreinigende, aber schmucklose "Sanisettes" ersetzt. Nur ein Urinal der Gründerzeit steht heute noch: für die Taxifahrer vor dem Gefängnis La Santé.

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