"Tante Irmi" tritt ab - Bensusans letzter großer Auftritt auf der Paralympics-Bühne
Stand: 29.08.2024, 16:55 Uhr
Für Para-Leichtathletin Irmgard Bensusan sind Paris die dritten Paralympischen Spiele und zugleich die letzten - nach zehn Jahren in Deutschland kehrt sie nach Südafrika zurück.
Von Anke Feller
Die vergangenen Wochen und Monate waren sehr emotional, immer wieder flossen Tränen. Denn nach zehn Jahren in Leverkusen heißt es für Irmgard Bensusan Abschied nehmen.
Nach den Paralympics in Paris bricht die Leverkusener Para-Leichtathletin ihre Zelte im Rheinland ab und kehrt zurück in ihre Heimat nach Südafrika. "Das geht mir sehr nahe. Meine Trainingsgruppe, die Menschen, mit denen ich in den letzten Jahren täglich zusammen trainiert habe, sie alle werden mir sehr fehlen. Aber nach zehn Jahren ist für mich Schluss in Deutschland."
Anfangs war nur ein dreimonatiger Aufenthalt in Deutschland geplant, dass daraus viele Jahre wurden, überrascht die mittlerweile 33-Jährige selber.
Einschneidender Unfall verändert alles
In Südafrika hatte Bensusan bereits mit drei Jahren den Spaß an der Leichtathletik entdeckt. Sie trainierte eifrig und nahm an Wettkämpfen teil. Doch 2009 dann der einschneidende Moment, der alles veränderte. Die damals 18-Jährige stürzte unglücklich über eine Hürde. Die Diagnose der Ärzte: Knochenbrüche, ein Kreuzbandriss im Knie und geschädigte Nervenbahnen. Die Ärzte waren sich sicher: "Sie werden nie wieder so laufen wie vorher."
Irmgard Bensusan (l.) beim Training
Und sie behielten recht, Bensusan kann ihren rechten Fuß nicht mehr ansteuern. "Es ist, als hättest du lange gesessen, versuchst dann aufzustehen und dein Fuß ist eingeschlafen. Ich habe quasi einen eingeschlafenen Fuß, der nie wach wird", beschreibt die Sprinterin das Gefühl. Heute kann sie Witze darüber machen, ihren rechten Fuß nennt sie "Schluffi". Wenn man Bensusan beim Sprinten beobachtet, muss man genau hinsehen, um die schwarze Schiene an ihrem rechten Bein zu bemerken. Mit ihr verbundene Bänder sind um den Fuß und die Wade der Sportlerin gewickelt. Ohne diese Orthese könnte die 33-Jährige nicht laufen.
Da ihre Behinderung in Südafrika nicht anerkannt wurde, nahm Irmgards deutsche Mutter Kontakt zum Deutschen Behindertensportverband (DBS) auf, und Irmgard konnte sich dem TSV Bayer 04 Leverkusen anschließen. Ihr Vater ist Südafrikaner, die Tochter hat die deutsche und die südafrikanische Staatsbürgerschaft.
Spitzname "Tante Irmi"
Es dauerte nicht lange, bis Irmgard Bensusan ein wichtiges Mitglied der Leverkusener Trainingsgruppe wurde - und diese wichtig für sie. "Meine Trainingsgruppe ist für mich wie eine Familie geworden", so Bensusan, die von Trainingskollegen wie Paralympics-Sieger Johannes Floors oder Para-Weltmeister Léon Schäfer liebevoll "Tante Irmi" genannt wird.
Irmgard Bensusan und Johannes Floors in Tokio 2020
Der gelernten Wirtschaftsprüferin liegt das Wohlergehen der Gruppe am Herzen. "Als etwas ältere Athletin achte ich aber auch darauf, dass Regeln eingehalten werden", sagt die vierfache Weltmeisterin und fünffache Paralympics-Silbermedaillengewinnerin schmunzelnd. So wie sie es in ihrer großen sportlichen Familie gelernt hat. Ihre Mutter war Hürdenläuferin und Weitspringerin, ihr Vater Hockeyspieler. Zwei Brüder spielen Rugby, ihre beiden Schwestern machen ebenfalls Leichtathletik.
Nach Paris ist Schluss
Die Spiele in Paris sind für die gebürtige Südafrikanerin nach Rio und Tokio bereits die dritten Paralympics. Bensusan wird über 100 Meter und 200 Meter an den Start gehen, zum letzten Mal, so viel steht fest. Nach der Saison wird sie die Spikes an den Nagel hängen und von Leverkusen zurück nach Südafrika ziehen. Die Vorfreude vor Paris ist riesengroß, "weil die Paralympics in Europa stattfinden, können dieses Mal Freunde und Familie dabei sein. Darauf freue ich mich sehr".
Bilder von den Olympischen Spielen hat sie sich bewusst nicht angeschaut, um ihre Nerven nicht unnötig zu strapazieren, "sonst denke ich die ganze Zeit, wie es ist, wenn ich in den Startblock gehe". Und auch weil sie sich ein eigenes Bild von Paris, der Stimmung und den Wettkampfstätten machen möchte.
Am 3. September (10.30 Uhr) beginnen für Bensusan die Paralympics mit den Vorläufen über 200 Meter. Die Zielsetzung ist diesmal anders, als in den Jahren zuvor: "Ich muss mich entspannen, locker bleiben und am wichtigsten: Ich muss es genießen."