Wenn Joggen am Geld für eine Prothese scheitert
Stand: 09.09.2024, 15:52 Uhr
Tanja Höfler (26) musste krankheitsbedingt das rechte Bein amputiert werden. Die Paralympics wären für sie ein Traum. Doch um die Sportarten auszuüben, die sie gerne machen möchte, braucht sie eine Sportprothese, die ihr ihre Krankenkasse verwehrt. Dagegen geht die junge Frau vor.
Von Sabine Meuter
Die Paralympics in Paris sind am Sonntag zu Ende gegangen - und in den vergangenen Wochen hat auch Tanja Höfler mit den Athletinnen und Athleten mitgefiebert. Doch das Mega-Sportevent war für sie auch mit negativen Emotionen verbunden. "Die Paralympics waren für mich natürlich voll das Highlight. Aber gleichzeitig sitzt man da und erwischt sich dann dann doch dabei, wie man weint. Weil sie eben den Sport gerade machen, den du unbedingt machen willst", sagt die 26-Jährige aus dem bayerischen Beilngries dem WDR.
Fahrradfahren, Laufen, Springen – Sport war von Kindesbeinen an ein wichtiger Teil im Leben von Tanja Höfler gewesen. Sieben Jahre ist es inzwischen her, dass die junge Frau an der chronischen Schmerzkrankheit CRPS erkrankte, dem komplexen regionalen Schmerzsyndrom. Im Zuge dessen musste vor drei Jahren ihr rechtes Bein amputiert werden.
Tanja Höfler im Fitnessstudio
Seitdem ist sie auf eine Prothese angewiesen. Damit kann sie zwar ins Fitnessstudio gehen, Skifahren oder Wakeboarden. Was sie aber nicht kann: Joggen. Und genau das möchte sie unbedingt. Nur: "Das geht mit einer Alltagsprothese schlichtweg nicht“, sagt Tanja Höfler. Fürs Joggen benötigt sie eine Sportprothese. Dieses rund 10.000 Euro teure Hilfsmittel hat sie bislang nicht von ihrer Krankenkasse bewilligt bekommen, sagt sie. Die Begründung: Ihr stehe eine Sportprothese nicht zu, weil dies kein Grundbedürfnis sei.
26-Jährige pocht auf ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben
Die junge Frau versteht die Welt nicht mehr: Sie kann nicht selbstbestimmt leben, jemand anderes entscheidet, was für sie gut ist. Die Krankenkasse sagt: Jeder bekommt seine Grundversorgung, die Prothese also, die er oder sie im Alltag nutzt. Dieses Hilfsmittel ist aber einfach nur für den Alltag. Tanja Höfler beantragt die Sportprothese, weil sie sie für ihre Leidenschaft Joggen haben möchte – und dann kommt ein Nein. Die 26-Jährige legt Widerspruch ein. Weil sie unbedingt Joggen will. Dann kommt ihr zufolge wieder schnell ein Nein - weil es ihr nicht zustehe.
Darüber ist die junge Frau traurig und wütend zugleich: "Es wird einem so viel verwehrt: Die Gemeinschaft in einem Sportverein, die Benefits für sich selber." Das alles fehlt ihr. "Zu wissen, dass man keinen Zugang dazu hat, obwohl es dafür ein Hilfsmittel gibt, das ist für mich nicht nachvollziehbar", so Tanja Höfler.
Sportvereine bieten oft nicht genügend Angebote für Menschen mit Behinderungen
Generell sind in Deutschland die Voraussetzungen für Menschen mit Behinderungen, die Sport treiben möchten, nicht die besten. "Es gibt hierzulande nicht viele Sportvereine, die einen Ansprechpartner für den inklusiven Bereich haben", sagt Sina Eghbalpour, Professorin an der Katholischen Hochschule NRW, dem WDR.
Das bedeute: "Wenn Menschen mit Behinderungen sich auf den Weg machen, Sportangebote zu suchen, dann finden sie wenige Vereine, die eine Willkommenskultur haben." Ein weiteres Problem sei, dass Menschen Behinderungen dann auch zum Ort des Sportangebots erst einmal hinkommen müssten, erklärt Thomas Abel, Professor an der Deutschen Sporthochschule in Köln. Nötig seien daher für Betroffene Begleitungen. Dies könne ein Fahrdienst oder etwa eine Assistenz sein. Für Abel ist auch klar: "Die Lust auf Sport wird nicht dadurch beeinflusst, ob ich eine Behinderung habe oder nicht."
Auf dem Klageweg und via Petition eine Sportprothese bekommen
Sportlerin Tanja Höfler
Tanja Höfler jedenfalls will sich bewegen - und joggen. Und dafür kämpft sie mit allen Mitteln. Die junge Frau ist inzwischen vor Gericht gezogen und hofft, dass sie letztendlich per Urteil zu einer von der Krankenkasse finanzierten Sportprothese kommt. Unabhängig davon hat sie vor zwei Jahren eine Petition auf Bundesebene auf den Weg gebracht: Mit Gesetzesänderungen will sie erreichen, dass für Menschen mit Behinderungen Hilfsmittel fürs Sporttreiben frei zugänglich sind - wenn sie das wünschen.
Bei einem dreitägigen Event hat Tanja Höfler übrigens die Sportprothese testen dürfen. Dies sei ein komplett neues Lebensgefühl gewesen - "von 0 auf 100, es war der Hammer". Sie habe locker durch die Gegend laufen können. "Es war so befreiend, es war, als würde man von innen aufblühen. Du hast das Gefühl. Du bist wieder Du." Sie habe der Krankheit mit dem Laufen entfliehen können und habe die Lebendigkeit gespürt, die sie gar nicht mehr kannte. "Ich hatte Macht, ich war ich, ich war frei - es war überwältigend."
Quellen:
- Tanja Höfler im 0630-Interview
- Sina Eghbalpour, Professorin an der Katholischen Hochschule NRW, gegenüber dem WDR
- Thomas Abel, Professor an der Deutschen Sporthochschule in Köln, gegenüber dem WDR