Urinoir lumineux boulevard Sébastopol. Paris (Ier arr.), vers 1870.

19.07.1839: In Paris werden die ersten Pissoirs aufgestellt

Bis ins 19. Jahrhundert stinkt es gewaltig in Europas Städten: Jeder verrichtet seine Notdurft, wann und wo er will und muss. Öffentliche Abhilfe wird am 19.07.1839 geschaffen - zumindest für Männer.

Wo und wann die allererste öffentliche Toilette der Geschichte gestanden hat - das weiß niemand so genau. Vielleicht in Mesopotamien, 2400 vor Christus. Archäologen haben dort im Nordpalast von Ešnunna sieben nebeneinanderliegende, in Stein gemeißelte Löcher gefunden. Für die kann es nur eine Erklärung geben: Hier konnte, wer musste.

Den Römern wird sogar eine regelrechte Latrinenbesessenheit nachgesagt. "Stille Orte" sind Latrinen dabei nicht: Hier wird Handel betrieben, werden Verträge beschlossen. Getreu der heute bekannten Redensart: "Ich geh mein Geschäft machen."

Aber nicht nur auf den Latrinen werden Geschäfte gemacht. Latrinenbetreiber sammeln und verkaufen den Urin als Mittel zur Gerbung von Leder. Das Geschäft ist so einträglich, dass der römische Kaiser Vespasian sogar eine Latrinensteuer einführt. Auf den Protest seines Sohnes soll Vespasian ihm das eingenommene Geld unter die Nase gehalten und entgegnet haben: "Pecunia non olet - Geld stinkt nicht." Bis heute nennen die Franzosen ihre öffentlichen Toiletten "Vespasiennes".

Mit dem Zerfall des Römischen Reiches ist auch die gehobenere Klokultur dahin. Im Mittelalter erleichtert man sich hinter einem Busch oder in einer Hausecke. Um 1800 bieten "mobile Abtrittsanbieter" ihre Dienste an - Buttenweiber oder Buttenmänner mit zwei Eimern, in die man gegen einen kleinen Obolus sein Geschäft verrichten kann. Auch hier wird der Urin dann wieder gewinnbringend etwa an Färber verkauft.

Mitte des 19. Jahrhunderts setzt sich in europäischen Großstädten wie Paris und London die Kanalisation durch. Am 19. Juli 1839 gibt der Polizeipräsident von Paris bekannt: "Ich habe versuchsweise auf dem Boulevard Montmartre und dem Boulevard des Italiens die Errichtung von Plakatsäulen mit Innen-Urinal-Ständen gestattet." Für Frauen entstehen erst 1902 rund ein Dutzend "Notdurft-Chalets".


In diesem Zeitzeichen erzählt Martina Meißner:

  • warum in Berlin die ersten Litfaßsäulen Urinale enthalten sollten - es aber nicht taten,
  • wie und warum das Dixie-Klo in einer Garage in Velbert erfunden wurde und
  • wie der Papst dem Dixie-Klo zum Durchbruch verhalf,
  • warum Frauen vor wenigen Jahren in den Niederlanden zu "Pinkelprotesten" aufriefen,
  • auf was der Welttoilettentag am 19. November aufmerksam machen soll,
  • warum die öffentliche Toilette heute ein bedrohter Ort ist.

Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:

  • Florian Kinast (Journalist, Schriftsteller)
  • Rebekka Endler: Das Patriarchat der Dinge. Warum die Welt Frauen nicht passt. Köln 2021.
  • Florian Kinast: Die Toilette. Alles zum stillen Örtchen. Berlin 2024.
  • Ralph Schock: Der liebste Ort auf Erden. Klogeschichten. Zürich 2015.

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Die Macherinnen und Macher hinter diesem Zeitzeichen:
Autorin: Martina Meißner
Redaktion: Sefa İnci Suvak