Die Idee zu einem wissenschaftlichen Institut, das sich sämtlicher sexueller Themen annimmt, hat Magnus Hirschfeld schon als junger Mann im Kaiserreich. Der Berliner Arzt ist selbst schwul und erlebt, wie Homosexuelle durch Skandale und Erpressungen gebrochen werden und in der Folge häufig Suizid begehen. Die im Kaiserreich strafrechtlich verfolgte Homosexualität ist für Hirschfeld schlicht eine "angeborene Sexualkonstitution, ein drittes Geschlecht".
Mit der Aufbruchstimmung im Berlin der Zwanziger Jahre, seinem gesellschaftlichen Ansehen und seinen finanziellen Mitteln kann Magnus Hirschfeld am 6. Juli 1919 seinen Traum verwirklichen: Er gründet das Berliner Institut für Sexualwissenschaft. Die Einrichtung soll dem "menschlichen Liebesleben in biologischer, medizinischer, ethnologischer, kultureller und forensischer Hinsicht" dienen.
In einer großen Villa finden nun eine Bibliothek, Sammlungen, Forschungsprojekte, Beratungs- und Therapieangebote ihren Platz. Menschen aus vielen Ländern und allen Schichten kommen hierher, um sich über Empfängnisverhütung oder Geschlechtskrankheiten zu informieren.
Dann wird der Ton in der Medizinwissenschaft immer deutschnationaler, Hirschfelds liberale Sexualforschung hat bald keine Chance mehr. Die Nationalsozialisten übernehmen. Magnus Hirschfeld ist in Paris, als 1933 sein Institut von Nazi-Studenten geplündert und ein Großteil der einzigartigen Bibliothek auf den Scheiterhaufen geworfen wird.
In diesem Zeitzeichen erzählt Veronika Bock:- Über die Leiden und Verfolgungen queerer Menschen zur Kaiserzeit,
- wie Magnus Hirschfeld 1920 ein Attentat überlebt, aber schon seinen eigenen Nachruf in der Zeitung liest,
- warum viele Menschen ihm ihre sexuellen Probleme anvertrauen,
- dass die Nazis den weltweit angesehenen Forscher zu einem "Perversen, der die Jugend verdirbt", degradieren.
Das sind unsere wichtigsten Quellen und Interviewpartner:- Richard Kühl, Medizinhistoriker, Universität Düsseldorf
- Rainer Herrn: Der Liebe und dem Leid. Das Institut für Sexualwissenschaften 1919-1933, Berlin 2022
- Richard Kühl: Der große Krieg der Triebe. Die deutsche Sexualwissenschaft und der Erste Weltkrieg, Bielefeld 2022
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Redaktion: David Rother