"Kleine Gestalt - große Kämpferin" - so beschreibt der Dramatiker Bertolt Brecht seine Ehefrau Helene Weigel. In seinem Gedicht "Über eine große Schauspielerin unserer Generation" heißt es 1929 über ihren Charakter: "Sie ist gutartig, schroff, mutig und zuverlässig."
Diese Eigenschaften zeigt "Helli" bis zum Schluss. Im April 1971, vier Wochen vor ihrem Tod, werden der 70-Jährigen bei ihrem letzten Auftritt bei einem Gastspiel in Paris unabsichtlich zwei Rippen gebrochen. Sie lässt sich bandagieren - und spielt weiter.
Debüt in Frankfurt am Main
Helene Weigel, die am 12. Mai 1900 in Wien geboren wird und aus einer jüdischen Familie stammt, will schon als Gymnasiastin ans Theater. Nach dem Abitur spricht sie an der Wiener Volksbühne vor. Nach einem Jahr Schauspielunterricht geht sie nach Frankfurt am Main. Ihr Debüt als Marie in Georg Büchners "Woyzeck" begeistert die Kritiker.
1922 wechselt sie nach Berlin und studiert Dramaturgie bei Theaterregisseur Max Reinhardt. Im Jahr darauf lernt sie Brecht kennen. Die beiden werden ein Paar. Der Dramatiker lässt sich für sie scheiden, hat zwei Kinder mit ihr. Der große Durchbruch kommt für Weigel 1932 mit der Uraufführung von Brechts "Die Mutter".
Exil in den USA
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten geht die Familie ins Exil - zunächst in Europa, dann in den USA. Helene Weigel lebt nun 15 Jahre ohne Bühne. Sie organisiert den Haushalt, schafft Raum für die Kinder und die Kreativität des notorisch untreuen Gatten.
In den USA gilt Weigel, die 1930 in die KPD eingetreten ist, als zu "rot". Die Produzenten meiden sie. Nur in der Verfilmung von Anna Seghers Buch "Das siebte Kreuz" spielt sie eine stumme Rolle. Auch Brecht wird verdächtigt, dem Kommunismus nahezustehen.
Wehrhafte Intendantin
Erst 1948 steht Weigel wieder auf einer deutschsprachigen Bühne. Im Jahr darauf zieht sie mit Brecht nach Ost-Berlin. Als "Mutter Courage" feiert sie Triumphe und legt mit den Grundstein für ein eigenes Theater: das "Berliner Ensemble". Er wird künstlerischer Leiter, sie sorgt als Intendantin für die Organisation und die Verhandlungen mit den DDR-Oberen.
Nach dem Tod Brechts verwaltet Helene Weigel sein künstlerisches Erbe. Sie gründet das Brecht-Archiv und verteidigt sein Werk gegen die Einmischung der SED. Sie ist im Vorteil: Die Rechte gehören allein der Familie.
Ihre Vision: "Wir Theaterleute tragen mit unseren Mitteln dazu bei, unseren Planeten endlich bewohnbar zu machen." Helene Weigel stirbt am 6. Mai 1971 in Ost-Berlin.
Autorin und Autor des Hörfunkbeitrags: Veronika Bock und Ulrich Biermann
Redaktion: Ronald Feisel
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 6. Mai 2021 an Helene Weigel. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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