"Schließ Aug und Ohr für eine Weil vor dem Getös der Zeit": melancholische Zeilen, bekannt als das "Lied der Weißen Rose", weil Sophie Scholl es so geliebt haben soll. Geschrieben hat es aber der Germanist Friedrich Gundolf - ein Gedicht zum Abschied, erschienen kurz vor seinem Tod.
Von "großen Männern" fasziniert
Geboren wird Friedrich Gundolf 1880 als Sohn eines jüdischen Mathematikprofessors in Darmstadt. "Große Männer" faszinieren ihn von Jugend an: Caesar, Dante, Goethe und Shakespeare sind für ihn Symbolgestalten ihrer Epoche. Ihnen widmet er auch seine wissenschaftliche Karriere als Professor an der Heidelberger Universität, arbeitet heraus, wie sie lebten und auf die Gegenwart wirken - ein Novum in der Germanistik. Der Titel seiner Habilitationsschrift ist Programm: "Shakespeare und der deutsche Geist".
Außenseiter in der Fachwelt, Liebling der Studenten
Die Fachwelt reagiert verhalten, vielleicht auch, weil das Publikum begeistert ist: Seine Bücher, elegant und mit leichter Hand geschrieben, erreichen Millionenauflagen. Und er wird ein Star bei den Studenten, obwohl er seine Skripte in einer "Art erhabenes Geleier" abliest. Hannah Arendt sitzt im Hörsaal, Golo Mann und Joseph Goebbels, der damals noch kein wüster Antisemit ist.
Glühender Anhänger von Stefan George
Der "große Mann", der Gundolf in all diesen Jahren am meisten fasziniert, ist Stefan George. Der Lyriker nimmt ihn den blutjungen, bildschönen und charismatischen Mann 1899 in den Kreis seiner Anhänger auf, ändert den Geburtsnamen Gundelfinger in Gundolf und versucht, in ihm sein Dichter-Ideal zu verwirklichen. Der Schüler glüht vor Bewunderung: "Ich weiß, dass ich Ihnen vor allem verpflichtet bin, wenn ich überhaupt sehen gelernt, wenn ich einen Lebensinhalt habe", schreibt er.
Schmerzliche Trennung
Meister und Schüler verehren einander zutiefst - solange, bis George einen neuen Liebling gefunden hat. Gundolf bleibt Georges engster Mitarbeiter. Aber es kommt endgültig zum Bruch, als der inzwischen 46-Jährige seine große Liebe heiraten will. Er hat die Frauen immer gemocht, hatte sogar eine uneheliche Tochter. Jetzt soll die langjährige Geliebte Elli Salomon seine Frau werden. George bekämpft sie mit allen Mitteln, aber Gundolf bleibt fest: Er will lieber "in die Hölle" mit ihr als ohne sie "in den Himmel", schreibt er 21. Juni 1926. Es ist der letzte Brief an George.
Unter der Trennung leiden beide, Gundolf wird todkrank. Er stirbt am 12. Juli 1931 an Magenkrebs und wird in seinem geliebten Heidelberg begraben.
Autorin des Hörfunkbeitrags: Jutta Duhm-Heitzmann
Redaktion: Hildegard Schulte
Programmtipps:
"ZeitZeichen" auf WDR 5 (9.45 Uhr) und WDR 3 (17.45 Uhr) erinnert am 12. Juli 2021 an Friedrich Gundolf. Das "ZeitZeichen" gibt es auch als Podcast.
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