"Ein erstaunliches Organ", so ordnet der Philosoph Olaf Müller den menschlichen Sinn für die Schönheiten der Welt ein: "Seine Ausbildung, Verfeinerung und Ausübung gehört zum gelingenden Leben dazu." Wer demgegenüber keine Schönheitsurteile fällen könne, dem fehle ein wichtiger Bestandteil dessen, was den Menschen ausmacht – und was uns von Tieren oder Maschinen unterscheidet.
Aber was genau ist eigentlich dieser Schönheitssinn? Ein Sinn, der eine Vielzahl von Fähigkeiten als Grundlage hat: "Sinnliche, emotionale, kognitive und intellektuelle Fähigkeiten sind dabei ebenso gefragt wie die Fähigkeit, überhaupt etwas zu erleben, und zwar gerne." Der Schönheitssinn setzt also die Bereitschaft voraus, das was man für schön hält, auch schön finden zu wollen.
Der Philosoph Olaf Müller
Interessant ist ein Blick auf die Lebensbereiche, in denen der Sinn für Schönheit aktiv werden und auf entsprechende Reize reagieren kann. Zunächst denkt man da natürlich an die Kunst mit ihren vielfältigen Variationen des Schönen. Dann an die Natur, also zum Beispiel Gärten und Landschaften. Aber die meisten von uns finden auch den einen oder anderen Menschen schön. Und dann sind da erstaunlicherweise noch die Naturwissenschaften, die Olaf Müller ins Spiel bringt, etwa mit Blick auf Lehrsätze und Gesetze von Mathematik und Physik.
Was genau also macht unseren Schönheitssinn aus? Und was könnte diese unerwartete Kombination von Objekten bedeuten, die wir schön finden können? Ein Erklärungsansatz ist für Olaf Müller, dass die Natur in ihren Strukturen so eingerichtet sein könnte, dass sie unsere Freude am Schönen zum Schwingen bringt. Oder umgekehrt: "Mit allen Facetten unseres Menschseins sind wir so gebaut, dass unser Schönheitssinn bestens zu dem passt, was die Welt im Innersten zusammenhält."
Was ist schön – und was nicht? Welche Bedeutung hat die Schönheit? Wie und durch was wird Ihr Schönheitssinn aktiviert?
Öffentliche Veranstaltung vom 28. Oktober 2023 aus dem Max Ernst Museum in Brühl.
Literaturhinweis: Olaf Müller: Zu schön, um falsch zu sein. Über die Ästhetik in der Naturwissenschaft. S. Fischer Verlag, 2019
Redaktion: Gundi Große
