Eine Frau dirigiert eine Menschenmenge unter freiem Himmel, die auf einer großen Treppe steht und gemeinsam singt

Was schafft Zusammenhalt in der Gesellschaft?

Wir leben in einer Zeit des permanenten Alarmzustands: Eine Krise jagt die nächste, und viele dieser Krisen hängen auch noch zusammen. Zugleich scheint die Gesellschaft zerstritten und zerrüttet. Was bedeuten Freiheit und Gemeinschaft in diesen Zeiten?

Wie steht es um die Freiheit, wie frei sind wir wirklich? Um diese Frage gab es in den letzten Jahren erbitterte Diskussionen. Insbesondere natürlich zur Zeit der Coronakrise, wo nicht nur über Maskenpflicht, Abstandspflicht und eine mögliche Impfpflicht diskutiert wurde, sondern ja auch tatsächlich staatliche Eingriffe in freiheitliche Grundrechte stattfanden. Wie ist das aus jetziger Sicht zu bewerten? Viele der Krisen, die zum Normalzustand geworden zu sein scheinen, haben ein Potential, die Freiheit zu bedrohen, sagt der Philosoph Jan Skudlarek: "Der Streit um Freiheitsräume, um den Körper, die Grenzen des Machbaren und die Ethik des Wünschenswerten ist ein sozialer Dauerbrenner – nicht nur in Deutschland, sondern überall auf der Welt."

Jan Skudlarek

Der Philosoph Jan Skudlarek

Und die Klimakrise wird das Thema vermutlich noch dringlicher machen; schon jetzt wird von Einigen die Diskussion um Verzicht als eine um Eingriffe in die Freiheit gewertet. Stichwort: Verbotsdiskussion. Aber ist das dem Ernst der Lage tatsächlich angemessen? Hinter den Diskussionen um Pflichten, Eingriffe und Verbote steckt ein uralter philosophischer Diskurs: "Es ist der Streit zwischen Utilitaristinnen und Kantianern", sagt Jan Skudlarek. Also die Frage, ob die Folgen einer Handlung entscheiden oder ob wir die Handlung an sich bewerten müssen.

Und dann ist da noch die Frage, wie grenzenlos Freiheit in unserer Krisengesellschaft sein muss. Die eigene Freiheit wird bekanntlich da zum strittigen Wert, wo sie die Freiheit von Anderen berührt. Freiheit kann – zumindest in einer pluralistischen Solidargemeinschaft - also gar nicht komplett grenzenlos sein. Ein Freiheitsverständnis, das dem gegenüber darauf pocht, auch Schaden anrichten zu dürfen, könnte man als "toxische Freiheit" bezeichnen, sagt Jan Skudlarek.

Brauchen wir eine neue oder zumindest eine andere Idee von Freiheit in unserer Gesellschaft? Kann es so möglicherweise gelingen, ein neues Wir zu finden? Was schafft Zusammenhalt in unserer Gesellschaft?

Hörer:innen können mitdiskutieren unter 0800 5678 555 oder per Mail unter philo@wdr.de.

Redaktion: Gundi Große

Literaturhinweis: Jan Skudlarek: Wenn jeder an sich denkt, ist nicht an alle gedacht. Streitschrift für ein neues Wir. Verlag Tropen, 2023.

Jan Skudlarek: Freiheit und Zusammenhalt

WDR 5 Das philosophische Radio 11.09.2023 54:13 Min. Verfügbar bis 10.09.2024 WDR 5


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