"Von Juden lernen", so der Titel des aktuellen Buches von Mirna Funk. Und diesen Titel darf man durchaus als Programm und Aufforderung verstehen: In der jüdischen Kultur findet die Schriftstellerin Denkweisen und Handlungsprinzipien, die charakteristisch und bezeichnend sind – und zugleich so offen, dass man keineswegs selbst jüdisch sein muss, um von ihnen zu profitieren.
Das Prinzip, das hinter dem hebräischen Begriff "Tikkun Olam" steht zum Beispiel – es geht um die "Reparatur der Welt", also um Resilienz, um Optimismus, darum, aus den Umständen das Beste zu machen, mögen die auch noch so schwierig sein. Oder "Eshet Chayil", ein Lob der Macht und der Kraft und der Tapferkeit der Frauen, ein über 3000 Jahre alter Text, den Mirna Funk als ganz grundlegendes Zeugnis der Freiheit und Gleichberechtigung interpretiert – auch der Freiheit, bei Bedarf einengende Regeln zu brechen. Und dann ist da natürlich noch der Begriff "Machkolet" – das bedeutet wörtlich übersetzt "Streit"; meint aber letztlich Streitkultur, also dass es einen Austausch braucht, auch dann, wenn die Positionen unversöhnlich bleiben. Das kann man auch als Fingerzeig verstehen – auf die Sprachlosigkeiten unserer krisengeprägten Gegenwart.
Mirna Funk, geboren 1981 in Ostberlin, lebt heute in Berlin und manchmal auch in Tel Aviv. Sie hat Romane und Sachbücher veröffentlicht. Als "Vaterjüdin" hat sie ihre jüdische Identität erst nach und nach entdeckt; diese Suche beschreibt sie als Reise, die immer noch andauert. Gleichwohl ist sie "offiziell" längst angekommen und auch formal zum Judentum konvertiert.
Redaktion: Julia Lührs
Buchtipp:
Mirna Funk (2024): Von Juden lernen. München: dtv Verlagsgesellschaft. 160 Seiten. 18 Euro. ISBN 978-3-423-28384-7