Gebete mit Flöte, Gesang und Tambourin

Die wohl schönsten Gebete der Menschheit

Stand: 09.10.2022, 08:04 Uhr

Hunderttausende Jesiden leben in Deutschland, die meisten von ihnen in Nordrhein-Westfalen. Mitgebracht haben sie ihre religiösen Traditionen: Toleranz und Offenheit sind Wesensmerkmale des Jesidentums. Ihre Musik ist ein spirituelles Gebet und einmalig in der Welt der Religionen.

"Jeder, der will, stellt sich vor die Sonne und erzählt ihr im Gesang, was in diesem Moment aus seinem Herzen spricht. Vielleicht sind dies die schönsten Gebete, die die Menschheit je hervorgebracht hat" - schreibt der kurdische Dichter Yaşar Kemal über die heiligen Texte der Jesiden.

Ein Gemeinde-Gottesdienst ist im Jesidentum unbekannt, der Gläubige gestaltet seine Beziehung zu Gott persönlich. Auch eine schriftliche Überlieferung gibt es nicht: Die heiligen Texte werden seit undenklichen Zeiten mündlich im Gesang überliefert.

Beim Begräbnisritual rezitiert ein Geistlicher "Qewlen", uralte epische Gesänge, in denen das Leben im Diesseits und Jenseits thematisiert werden. Bei religiösen Festen werden die Gläubigen mit Musik in eine Art Ekstase versetzt. Die Ney-Flöte und die Rahmentrommel spielen dabei eine besondere Rolle. Diese Tradition erinnert an die Praktiken der islamischen Sufi, unterscheidet sich aber in vielen Aspekten davon.

Die ersten Jesiden kamen im Zug der Anwerbung türkischer Arbeitskräfte in den 1960er-Jahren nach Deutschland. Die Verfolgung und Unterdrückung der Jesiden vor allem im Irak, in Syrien und in der Türkei hat ihre Zahl in Deutschland weiter anwachsen lassen. Inzwischen sind in Deutschland viele jesidische Gemeinden entstanden.

Ein großes Anliegen der Gläubigen ist es, eine Ausbildung für Musiker zu ermöglichen, die bei religiösen Anlässen spielen. Im Orient ist dies die Aufgabe von wandernden Spielleuten; hierzulande ist man bemüht, geeignete Musiker zu finden, die in der Lage sind, die religiösen Riten zu begleiten.

Autor: Thomas Daun

Redaktion: David Rother

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