Eine hartnäckige alte Dame
Ihrer Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass Joschka Fischer 2005 eine Historiker-Kommission einsetzte mit der Aufgabe, die deutschen Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik unter die Lupe zu nehmen. Marga Henseler, frühere Mitarbeiterin im Auswärtigen Amt, hatte sich im Mai 2003 über den ehrenden Nachruf auf den so eben verstorbenen Diplomaten Franz Nüßlein echauffiert. Nüßlein, im Dritten Reich Oberstaatsanwalt im Reichsprotektorat Böhmen und Mähren, wurde nach dem Krieg in der Tschechoslowakei wegen Beteiligung an Kriegsverbrechen zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. 1955 vorzeitig entlassen, kam er in den Auswärtigen Dienst und stieg dort zum Generalkonsul in Barcelona auf. Marga Henseler traf ihn zweimal: 1944 in Prag und 1960 in dessen Büro in Bonn, als sie nach neunjähriger Unterbrechung in den Auswärtigen Dienst zurückkehrte. Marga Henseler war empört, dass in Nüßleins Todesanzeige dessen Gefängnisstrafe zur schlichten Internierung herabgestuft wurde – in den Augen der rüstigen Dame, die heute in Bonn-Bad Godesberg wohnt, eine glatte Geschichtsfälschung.
Redaktion:
Mark vom Hofe