Britt lässt sich auf dem Rücken im Wasser treiben. Es ist Juli in Norwegen und wie jedes Jahr ist die 43-Jährige mit ihrer Tochter Elise, ihrem Mann Espen und seinen Freunden ins Sommerhaus am Meer gefahren. Doch von Erholung ist in diesem Jahr keine Spur – stattdessen wird Britt alles zu viel. Gerade ist sie ausgerastet und hat das ganze Haus zusammengeschrien. Was genau Britt den anderen an den Kopf geworfen hat, erfahren wir nicht. Nur wie es dazu gekommen ist.
Ihr Wutausbruch kam nicht plötzlich, er hat sich lange angebahnt. Über die Zeit ist die Wut in ihr gewachsen wie ein Pfropfen. Und jetzt lässt sie ihr freien Lauf. Lässt all die Wut raus, die sie, seit sie ein Teenager war, in sich reingefressen hat. Weil ihre Mutter gegangen ist, als sie gerade mal zwölf war. Weil sie weiß, dass ihr Mann mit anderen Frauen schläft und ihre Ehe am Ende ist. Weil sie ständig allen hinterher räumen muss, als wäre es selbstverständlich. Weil sie nie in diesen Urlaub fahren wollte, aber es ständig allen recht macht außer sich selbst. Und weil sie von klein auf gelernt hat, dass ihre Wut in dieser Welt keine Daseinsberechtigung hat.
Linn Strømsborg setzt sich in ihrem Roman unverblümt mit Mutterschaft, Care Arbeit und Mental Load auseinander und erzählt dabei stechend scharf von weiblicher Wut. Eindringlich und einfühlsam beschreibt sie, wie Britt ihre Wut über die Jahre hinweg immer wieder runtergeschluckt hat, bis sie sie schließlich von innen aufgefressen hat.
Aber Linn Strømsborg erzählt auch von dem befreienden Potential, das in Wut stecken kann und zeigt: Wenn wir uns erlauben unsere Wut rauszulassen kann sie ein konstruktives Gefühl sein. Denn Britts Wutanfall wird schließlich zu ihrem Befreiungsschlag. Als sie aus dem Meer kommt, bricht sie zusammen mit Nico, der das Sommerhaus gehört, zu einem Roadtrip auf und reflektiert ihre Rolle als Partnerin und Mutter. Weder ihr Mann oder ihre Tochter noch die anderen im Haus wissen, wohin die beiden fahren oder wie lange sie weg sind.
Britt und Nico fahren einfach los. Und so wird die kinderlose Nico, die Britt immer für ihre Unabhängigkeit beneidet hat, unverhofft zu ihrer Verbündeten, die Britt auch nach dem gemeinsamen Ausflug in ihr neues, unabhängiges Leben begleitet. Und damit ist "Verdammt wütend" auch ein Roman über weibliche Solidarität. Vor allem aber ist er eine Einladung zum offen Wütend-Sein. Man möchte beim Lesen mit den Füßen auf den Boden stampfen und gemeinsam mit Britt ihre Wut in die Welt schreien!
Eine Rezension von Amanda Andreas
Literaturangaben:
Linn Strømsborg: Verdammt wütend
Aus dem Norwegischen von Karoline Hippe
DuMont Buchverlag, 2024
224 Seiten, 23 Euro