Krimicheck
"Anständige Leute" von Leonardo Padura
Stand: 02.08.2024, 12:16 Uhr
Die Polizei in Havanna hat alle Hände voll zu tun mit dem Besuch von Obama und den Stones. Da wird der verhasste, ehemalige Zensor Quevedo ermordet. Auf Bitten der Mordkommission taucht Ex-Polizist Mario Conde in die traurige Welt der Zensur-Opfer ein. Und schreibt gleichzeitig einen spannenden Krimi.
Bevor er in Rente ging, war Reynaldo Quevedo der am meisten gehasste Mann in Havanna: Er war der Zensor des kommunistischen Regimes, verbot nach Belieben Bücher und Bilder und trieb damit sogar Menschen in den Selbstmord. Nun liegt er tot und entmannt in seinem Luxusapartment. Die Polizei ist mit dem Besuch von Obama und den Stones überlastet und froh, dass ihr ehemaliger Mordermittler Mario Conde einspringen kann.
Leonardo Padura lässt Conde unter den von Quevedo gequälten Kunstschaffenden ermitteln und Verdächtige gibt es reichlich. Zum Beispiel den Maler Gumersindo Capote. Der Autor deckt dabei auf, wie nicht linientreue Künstler in Kuba unterdrückt werden, wenn es dem Regime gerade politisch in den Kram passt.
Padura muss es wissen, bewegt er sich doch selbst seit Jahrzehnten unter den wechselnden Bedingungen der Zensur des kubanischen Kulturbetriebs. Somit kann man „Anständige Leute“ nicht nur als Mördersuche lesen, sondern auch als politischen Roman, der hinter die Kulissen eines korrupten und kriminellen Regimes schaut.
Besonders originell: Padura liefert zwei Krimis in einem. Nach Feierabend beamt sich Mario Conde schreibend in Havannas Rotlicht-Milieu des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts. Auch da drehte sich alles um die Verflechtung von Politik und Verbrechen. Condes literarische Suche nach einem Prostituierten-Killer ist mindestens genauso spannend wie seine Mordermittlung und sogar noch süffiger geschrieben. Leonardo Padura hat mit „Anständige Leute“ zu alter Form zurückgefunden.
Eine Rezension von Eva Karnofsky
Literaturangaben:
Leonardo Padura: Anständige Leute
Aus dem Spanischen von Peter Kultzen
Unionsverlag, 2024
400 Seiten, 26 Euro