In seinem Roman "Durch die dunkelste Nacht" inszeniert Hervé Le Corre in und um Bordeaux drei zentrale Ebenen, die von drei Hauptfiguren erzählen: Louise ist allein erziehend, sie hat sich aus der Drogenabhängigkeit gewühlt, kommt so gerade irgendwie durch – wird aber extrem von einem Exfreund gestalkt, der sie immer wieder überfällt und verprügelt.
Jourdon ist ein Ermittler bei der Kripo; auf der Jagd nach einem Mann, der junge Frauen umbringt. Jourdon ist völlig fertig und desillusioniert, er schleppt sich durch sein Leben, zugleich lodert in ihm eine unfassbare Wut. Das hat auch mit dem Dritten zu tun, dem Serienkiller, der völlig wahllos wütet, anscheinend ohne jeden Grund – außer seiner kranken "Lust" zu töten.
"Durch die dunkelste Nacht" ist Polizeiroman, Serienkillerstory, Sozialdrama, der Roman nutzt bekannte Formen und liefert doch etwas ganz Eigenes durch die Art, wie Hervé Le Corre diese Elemente mischt und wie er erzählt: mit einer irritierenden Mischung aus fassungsloser Empathie und analytischer Kälte. Denn natürlich sind diese drei Ebenen miteinander verzahnt, allerdings auf ungewöhnliche und überraschende Art. Und auf allen Ebenen geht es um die Gewalt gegen Frauen.
Der Roman ist, wenn man so will, auch eine Analyse davon, wie Frauenhass unter der Oberfläche brodelt, wie er manchmal hochschießt und explodiert, und welche Rolle er in der Gesellschaft spielt. Atemberaubend, wie Hervé Le Corre das auf den Punkt bringt und konzentriert ausleuchtet. Auch weil es von den literarischen Mitteln her herausragend ist: Krimi-Kunst auf einem Niveau, das nicht viele erreichen. Ein herausragender Roman – allerdings, Obacht, kleine Triggerwarnung, ganz und gar kein Stoff für zarte Gemüter.
Eine Rezension von Ulrich Noller
Literaturangaben:
Hervé Le Corre: Durch die dunkelste Nacht
Aus dem Französischen von Anne Thomas
Herausgegeben von Thomas Wörtche
Suhrkamp, 2024
339 Seiten, 17 Euro