Das "Mädchen", so wird die Hauptfigur der zehn Erzählungen genannt, wächst in der DDR der 60er und 70er Jahre auf. Nach dem Tod der Großmutter ist es den Eltern geradezu ausgeliefert: beide trinken, der Vater ein gewalttätiger Narzisst, die Mutter kriegt sich selbst nicht in den Griff.
Angelika Klüssendorf erzählt von einer Familie in Armut und im sozialen Abseits, in einer glasklaren, schnörkellosen Sprache, ohne Pathos. Das Mädchen findet Wärme und Zuneigung nur bei ihrer kleinen Schwester. Sie flüchtet sich in Tagträume, klaut, läuft weg, wird in Erziehungsheime gesteckt. Nur Lesen, Bücher halten sein Leben gegen alle Risse zusammen.
Verbunden sind Klüssendorfs Erzählungen, die alle schon einmal erschienen sind, durch einen kommentierenden Rahmen: "Was habe ich erzählt, was nicht, und warum? Was ist Leben, Schreiben, Literatur?"
Sprecherin Corinna Harfouch klingt ganz direkt, klar, fast kühl. Sie liest mit ihrer dunklen, spröden Stimme, blickt in die alltäglichen Abgründe. Und doch immer schwingt immer eine große Verletzlichkeit und Sensibilität mit. Ein Hörbuch, das nachklingt.
Eine Rezension von Christian Kosfeld
Literaturangaben:
Angelika Klüssendorf: Risse
Gelesen von Corinna Harfouch
Osterwold Audio, 2023
213 Minuten Laufzeit, 17,95 Euro
