Hörbuchcover: "Adikou" von Raphaëlle Red

Hörbuch der Woche

"Adikou" von Raphaëlle Red

Stand: 20.09.2024, 14:07 Uhr

Mit "Adikou" schafft es Raphaëlle Red, innere wie äußere Reiseeindrücke zu einem fantasievollen, poetischen Werk zu verdichten. Ein modernes Hörbuch, welches Fragen um Identität und Zugehörigkeit eindringlich und reduziert ergründet.

Französische Mutter, togolesischer Vater. Ich-Erzählerin Adikou verkörpert die Verbindung zweier Welten. Doch die Anfang 20-Jährige hadert mit Frankeich. Das Gefühl der Zurückweisung und die Sehnsucht nach Harmonie münden im Wunsch, die Wurzeln ihres verstorbenen Vaters zu erkunden.

Bald sitzt Adikou im Flieger nach Lomé. Das Ziel: Sich in ihrem Ursprung zu verlieren und wiederzufinden. Die Geschichte wird zum Roadtrip. Und wie bei jeder guten Unterwegs-Unternehmung sind es auch hier die Zufallsbekanntschaften, die spontanen Entscheidungen und die emotionalen Wechselwirkungen, die das Abenteuer zu einer tiefgreifenden Erfahrung machen. Die Menschen hier in Togo begeistern Adikou. Ihre Gastfreundschaft, Lebensfreude und Hilfsbereitschaft, die ungezwungene Spiritualität.

Es ist ein Hörbuch der Bewegung. So bereist Adikou auch das Nachbarland Ghana. Ihre Erlebnisse reichert sie mit Erinnerungen an einen Aufenthalt in den USA sowie Schnipseln einer ersten Afrikareise an. Im Kreuzstich werden so episodenhafte Erzählfäden zu einer persönlichen Landkarte verwoben.

"Adikou" verfügt über einen launigen Erzählfluss. Mal zäh wie Sirup, mal zum Rinnsal verkümmert, mal zum mitreißenden Strom angeschwollen. Mühelos kontrolliert Autorin Raphaëlle Red je nach Absicht Tempo und Detailfülle. Sie kann viel Intensität und Bedeutung in einzelne Momente legen und dabei unerwartete Ebenen auffächern. Im nächsten Augenblick hat sie schon ihr Erzählzeug zusammengepackt und ist weitergezogen.

Die in Paris geborene und in Berlin aufgewachsene Autorin hat sich für die Aufnahme des Hörbuchs selbst ans Mikrofon gesetzt. Ein Glücksfall. Denn es ist faszinierend, wie sie den teils recht schweren Text mit ihrer frischen Darbietung in luftige Höhen überführt. Durchaus holpert es mal hier und dort im Vortrag, doch das stört nicht, sondern potenziert im Gegenteil eher Sinn und Aura des Textes. Ihn so zu hören ist deutlich interessanter, als ihn zu lesen. Denn die Geschichte entfaltet im Klang der Autorin eine ganz andere Wirkung: Schwebend trifft es vielleicht. Raphaëlle Reds leicht heiseres Timbre haucht dem überbordenden Werk charismatisch Leben ein.

Eine Rezension von Moritz Holler

Hörbuchangaben:
Raphaëlle Red: Adikou
Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky
Gelesen von der Autorin
Argon Digital, 2024
Download, 5 Std. und 27 Min. Laufzeit, 15,95 Euro

Die Buchvorlage erscheint im Rowohlt Verlag, 224 Seiten, 24 Euro.