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Hörbuchcover: "Die Verletzlichen" von Sigrid Nunez

Hörbuch der Woche

"Die Verletzlichen" von Sigrid Nunez

Stand: 01.03.2024, 14:53 Uhr

Eine New Yorker Autorin hütet während der Corona Pandemie den Papagei von Bekannten. Im menschenleeren Manhattan erinnert sie sich an Lektüren, kämpft mit einer Schreibblockade und wird von einem jungen Mann gestört. Das Hörbuch zum hochgelobten Roman interpretiert einfühlsam Vera Teltz.

Sigrid Nunez hat ein fiktionalisiertes Memoire geschrieben. Wir hören literarisierte Erinnerungen: aus der Corona-Zeit, als Manhattan still stand wie Berlin oder Paris. Im Zentrum steht eine Schriftstellerin, die ihr kleines Appartement einer Ärztin überlässt, die nach New York gekommen ist, um in einem Krankenhaus zu arbeiten. Sie wird sich dort infizieren, aber sie wird – anders als Bekannte und Freunde der Ich-Erzählerin – nicht an dem Virus sterben.

Die Schriftstellerin selber ist in die großzügige Wohnung einer Bekannten gezogen, um dort den Papagei Eureka zu betreuen. Das intelligente und zutrauliche Tier darf sich nicht langweilen und einsam fühlen. Sigrid Nunez erzählt aber nicht nur von der Faszination und der Freude, die die einsame Frau an dem Vogel hat.

Es geht in diesem klugen Buch auch um die vom Virus leergefegte Stadt, ums Schreiben und um die Erinnerung, um Bücher, die im Gedächtnis geblieben sind oder wenigstens um deren erste Sätze und – nicht zuletzt -um politische Korrektheit und moralische Überheblichkeit, mit der wir es heute allzu oft zu tun haben.

Ein anderes zentrales Motiv ist das Altern. Die in sich gekehrte Autorin, die mit einer Schreibblockade kämpft, hat plötzlich einen jungen Mitbewohner, der ungefragt in die Wohnung zurück gekehrt ist. Er war der vorige Vogel-Sitter und hatte den Schlüssel behalten.

Der Papagei ist erfreut, aber die Frau ist irritiert und fühlt sich gestört. Der Junge ist offensichtlich ein Nichtsnutz aus wohlhabendem Elternhaus, typischer Vertreter einer Generation, die nicht weiß, was sie will. Er isst kein Fleisch, hasst den Lebensstil seiner Eltern und kann mit der Vorstellung, sein Leben mit schreiben zu verbringen, nicht viel anfangen.

Ein seltsames Verhältnis zwischen der älteren Frau und dem jungen Mann beginnt. Und Vera Teltz liest die Irritation über den Eindringling, die Annäherung zwischen den Beiden tastend und staunend und reflektiert.

Sigrid Nunez hat ein nachdenkliches und kluges Buch übers Altern und Schreiben, über vergangene und gegenwärtige Sehnsüchte, über die Kraft der Erinnerung und über das Virus, das unser aller Leben lahm legte, geschrieben. Plaudernd kommt dieser Text daher, und Vera Teltz vertraut sich seinem Rhythmus an, folgt den Abschweifungen und lässt noch einmal die Ausnahme-Zeit lebendig werden, die wir schon wieder fast vergessen haben.

Eine Rezension von Manuela Reichart

Hörbuchangaben:
Sigrid Nunez: Die Verletzlichen
Gelesen von Vera Teltz
Aus dem amerikanischen Englisch von Anette Grube
Thalia, 2024
Download, 5 Std. und 9 Min. Laufzeit, 19,99 Euro