Live hören
Die MausLive-Hotline: 0800 220 5555
Buchcover: "Sturm" von George R. Stewart

Buch der Woche

"Sturm" von George R. Stewart

Stand: 10.01.2025, 13:01 Uhr

Ein Sturm als Hauptfigur eines Romans. Mit dieser originellen Idee hat sich George R. Stewart 1941 im Literaturkanon verewigt. Ein ebenso lyrisches wie spannendes Buch, dass die Lebensgeschichte des Sturms "Maria" erzählt.

Ein Sturm bildet sich auf dem Meer und bewegt sich aus Japan kommend Richtung US-amerikanischer Westküste. Der zunächst kleine Sturm wächst sich zu einem gewaltigen Unwetter aus. Während die eine Hälfte des Romans daraus besteht, in durchaus lyrischen Anläufen den Weg und die Entwicklung des Sturmes zu beschreiben, dreht sich die andere Hälfte um Personen, die von diesem Sturm betroffen sind.

Zwei Freunde, die nachts von einer Party nachhause fahren. Der Aufseher über eine Landstraße, der dafür verantwortlich ist, dass bei Schneefall der Pass geräumt wird. Der Flugleiter eines Flughafens, der entscheiden muss, ob die Flugzeuge nun überhaupt noch starten und landen dürfen. Dann noch als eine zweite Hauptfigur neben dem Sturm ein junger Meteorologe, der für den US-amerikanischen Wetterdienst arbeitet und diesen Sturm als erstes auf einer seiner Karten entdeckt. Er tauft ihn auf den Namen "Maria".

George R. Stewart würdigt das Faszinosum Wetter literarisch auf einzigartige Weise. Darüber hinaus zeigt der Autor in diesem Roman sehr eindringlich, dass alles mit allem zusammenhängt: Windsysteme, Meere, Gebirge, Wüsten usw. Der Sturm ist Teil eines sich stetig wandelnden Kreislaufs, der das Leben der Menschen beeinflusst. Schließlich auch ein positiver Gedanke. Wir können es schaffen, uns nicht von der Natur unterkriegen zu lassen, wenn wir kooperieren.

"Sturm" ist nicht der bekannteste Roman von George R. Stewart, das dürfte wohl "Leben ohne Ende" sein. Diese Neuübersetzung lenkt aber dankenswerter Weise auch im Angesicht der Klimakrise noch einmal das Augenmerk auf dieses Werk. Fun Fact: "Sturm" hat stark dazu beigetragen, dass man in den 50er Jahren tropischen Stürmen und Hurrikanen in den USA Namen gab, damit man leichter über sie darüber berichten konnte.

Was die Leserschaft dem Roman zusätzlich zu allem bereits Geschilderten anmerkt, ist ein gehöriges Maß an klassischer Bildung des Autors. Er hat Englisch an der Universität in Berkley unterrichtet. Immer wieder gerät der Erzähler des Romans ins Philosophieren und regt so nicht nur dazu an, über das Wetter, sondern sogar über das Menschsein an sich nachzudenken.

"Sturm" ist ein Roman, der einem Wetterphänomen eine Persönlichkeit verleiht und dazu noch eine Zeitreise ermöglicht in die Pionierzeit der Wettervorhersage ohne Supercomputer und Satelliten. Das alles abgerundet mit einem positiven Ausblick darauf, dass wir uns als Menschheit gegen die Widrigkeiten durchsetzen können, wenn wir nur kooperieren.

Eine Rezension von Christoph Ohrem

Literaturangaben:
George R. Stewart: Sturm
Aus dem amerikanischen Englisch von Jürgen Brôcan und Roberta Harms
Hoffmann und Campe, 2025
384 Seiten, 26 Euro