Autorin im Gespräch
Andrea Karimé über "Wörter, Wörter, Himmelörter"
Stand: 01.12.2023, 12:49 Uhr
Am bekanntesten ist Andrea Karimé als Autorin von Kinderbüchern. "Wörter Wörter Himmelörter" wendet sich nun an Erwachsene, doch es ist kein Roman, sondern eine Poetologie. Basierend auf zwei Poetikvorlesungen knetet Karimé die Worte, bis sie sich zu phantastischen Wesen verwandelt wie Biogra-Fischen und Sprachen und Welten verbinden.
Bei Andrea Karimé beginnt alles mit der Sprache. Respektive den Sprachen: Plural. Aufgewachsen mit einer deutschen Mutter und einem libanesischen Vater lernte sie jedoch nur Deutsch. Der Vater brachte ihr seine Sprache nicht bei, wie so viele Migranten, die angehalten wurden, ihre Kinder nicht mit zu vielen Sprachen zu verwirren.
Und irgendwann merkte die kleine Andrea, dass er eine Telefonsprache hatte, und eine Sprache für die Mutter und sie. Ihr Vater verwandelte sich in ein Geheimnis, dem sie bei ihrer ersten gemeinsamen Libanon-Reise auf den Grund gehen wollte. Und siehe da, viele arabische Worte klangen genauso wie deutsche Worte, auch wenn sie etwas ganz anderes bedeuteten. Aber war die Bedeutung wirklich so anders?
Die Brücken, die das Kind Karimé in ihrem Kopf baute, bereicherten nicht nur die beiden Sprachen, sondern legten den Grundstein für ihre spätere Arbeit als Schriftstellerin, Dichterin und Geschichtenerzählerin. Letzteres ist der Ausbildungsberuf, den Andrea Karimé gelernt hat.
Mehrsprachigkeit ist das Leitmotiv, das sich durch das Buch zieht, wie Sprachen sich gegenseitig befruchten können, wie man mit Gleichklängen spielt und wieso es ein Menschenrecht für Kinder sein sollte, die Sprachen ihrer Eltern erlernen und erproben zu können.
Allerdings sind Pädagoginnen und Pädagogen in Deutschland dafür nicht ausgebildet. Regelmäßig beschweren sich Zeitungsartikel über Familien in Neuköln und anderen sozialen Brennpunkten, die zu Hause kein Deutsch sprechen. Als sei eine weitere Muttersprache zu sorechen ein Defizit. Karimés Ansatz dagegen holt Kinder bei ihren Kompetenzen ab. Es macht sie zu Botschaftlern und Botschafterinnen ihrer Sprachen.
"Wörter, Wörter, Himmelörter. Sprachen Erfinden" löst ein, was es fordert, es verwandelt sich und überschreitet Grenzen, die der Sprachen und Genres, teilweise Miniatur-Roman, teilweise Gedicht, dann wieder kulturwissenschaftliche Betrachtung, mit zahllreichen Bildern, macht es den spielerischen Umgang mit dem, was wir jeden Tag benutzen, nämlich den Wörtern zu eine himmlischen Genuss.
Ein Buch, das den Alltag verzaubert, und dabei hochpolitisch ist.
Eine Rezension von Mithu Sanyal
Literaturangaben:
Andrea Karimé: Wörter, Wörter, Himmelörter. Sprachen erfinden
konkursbuch, 2023
180 Seiten, 12,50 Euro