Wäre Seyyidhan Kömürcü am Mississippi aufgewachsen, wäre er wahrscheinlich Bluessänger geworden. Aber Seyyidhan Kömürcü wurde 1979 im südostanatolischen Mardin Derik geboren und studierte an der Kunsthochschule in Ankara. "Schmutzfleck" ist sein deutsches Debüt.
"Jeden Morgen erschreckt mich die Welt zu Tode", ist der erste Satz in "Schmutzfleck", und er steht programmatisch für die Lyrik, die folgt. Seyyidhan Kömürcü zählt die Wunden und Narben auf, die das Leben auf Erden bei ihm hinterlässt. "Stell dir die Welt vor und wie Welt ihre Berge dermaßen traurig behandelt", heißt es da in "Drei Berge" – und in "Meine Brust", einem anderen Gedicht: "und dann ist der Mensch sowieso eine Qual, die sich bleiben nennt".
Seyyidhan Kömürcüs an die Welt gerichteter Monolog in Gedichtform beschwört in düsteren Bildern, was für ihn alles in der Welt abhanden gekommen ist. Und er ist so formuliert, dass man dem Autor den tiefen Schmerz glauben kann, den er empfindet.
Vielleicht wäre ein Warnhinweis auf dem Cover von "Schmutzfleck" gut gewesen: "Sollte man nicht lesen, wenn man ohnehin schon Depressionen hat!" Aber ansonsten ist "Schmutzfleck" ein durchaus gelungener authentischer Abgesang aufs irdische Dasein.
Eine Rezension von Matthias Ehlers
Literaturangaben:
Seyyidhan Kömürcü: Schmutzfleck. Gedichte
Zweisprachig Türkisch / Deutsch
Aus dem Türkischen von Barbara Yurtdaş
Elif Verlag, 2023
120 Seiten, 20 Euro
