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Buchcover: "Das ergibt sich dann" von Hung-min Krämer

Aktuelle Lyrik

"Das ergibt sich dann" von Hung-min Krämer

Stand: 03.05.2024, 13:16 Uhr

Von Anfang an gibt Hung-min Krämer den Leserinnen und Lesern alle wichtigen Koordinaten an die Hand, damit sie durch den wie aus einem Guß geschriebenen Gedichtband navigieren können. In "Das ergibt sich dann" wird es persönlich und weltumfassend.

Hung-min Krämer interessiert sich für die Welt, die sich verändert und wie es möglich ist, das Gestern im Heute zu bewahren. "Ich befinde mich hier im Empfinden des Empfindens, am Ereignishorizont", schreibt die 1965 geborene Lyrikerin, die aus Gedichtzeilen kleine, filmreife Momenteindrücke entstehen lassen kann.

Krämers lyrisches Ich spürt, dass etwas im Gange ist. Im Außen ist es beispielsweise der Klimawandel, der den gewohnten Jahreszeitenzyklus aus den Fugen bringt und eine dystopische Grundstimmung verbreitet. So wird im Gedicht "The last Summer" der April zum "letzten Sommer" gekürt, nach dem dann die Welt untergeht.

Auch im Inneren des Menschen geht es turbulent zu. Ist es überhaupt noch möglich, sich selbst zu erfassen? Und ab wann kann man von sich selbst sagen, dass man gelebt hat? Eine prompte Antwort auf existentielle Fragen weiß beispielsweise das Gedicht "Film". Darin zitiert Hung-min Krämer paraphrasierend aus dem Song "Grauschleier" der Band Fehlfarben, in dem es heisst: "Ich kenne das Leben. Ich bin im Kino gewesen".

In den ingesamt 89 kurzen Gedichten spielt der Humor eine große Rolle. Das spiegeln auch die sechs Kapitelüberschriften wider. Die tragen Titel wie "Das hilft jetzt überhaupt nicht", "Das verwickelte Du" oder "Lies die Beipackzettel". Hun-min Krämer verschafft auch ihrem Ehemann, dem Schriftsteller Thorsten Krämer, einen Auftritt. So ahmen einige Zeilen rhythmisch seinen Band "Momente" nach, oder das Gedicht "Myocel“ beschreibt einen Tag aus seinem Leben lakonisch mit "Luft rein, Luft raus, auf dem Tisch zusammensacken".

Allein die Natur vermag es, den Körper, die Seele und den Geist zu beruhigen. Hung-min Krämer fordert die Leserinnen und Leser dazu auf, sich treiben zu lassen. Das Gleichgewicht liegt im "Immerschon", wo der auf den Asphalt gefallene Regen von einer fast fassbaren Vergangenheit erzählt.

Eine Rezension von Claudia Cosmo

Literaturangaben:
Hung-min Krämer: Das ergibt sich dann
Elif Verlag, 2024
120 Seiten, 20 Euro