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Buchcover: "Gute Enden" von Max Czollek

Aktuelle Lyrik - Ein Gedicht

"Handtaschensonett" aus: "Gute Enden" von Max Czollek

Stand: 13.08.2024, 16:00 Uhr

Der Berliner Max Czollek ist Publizist, Schriftsteller und umtriebiger Kultur- und Gesellschaftsaktivist. Nun liegt ein neues Buch mit Gedichten vor. Poesie zwischen Trübsal, Trouble und Transzendenz.

Unermüdlich organisiert Max politische Tagungen, interreligiöse Dialogformate oder intellektuelle Kolloquien und ist überdies an einer Reihe von Veröffentlichungen wie dem Magazin "Jalta – Positionen zur jüdischen Gegenwart" beteiligt. Oder er veröffentlich gleich ganz alleine: Gedichtbände, aber vor allem aufsehenerregende Zeitungsartikel und Essays wie zuletzt "Versöhnungstheater".

"Gute Enden" nun ist sowas wie Melancholie am Ende der Fahnenstange. Postwachstumsblues. Max Czollek weiß, es wird nicht besser. Außer, wir alle tun etwas dafür. Allzu gemütlich sollten wir es uns nicht machen. Seine Poesie pendelt zwischen surreal und ultrareal. Zwischen Echtzeit und Endzeit. Anspielungen auf vermeintlichen common sense oder findige Stichelei? Wer weiß. Langeweile kommt so jedenfalls nicht auf. Denn Max Czollek hat ein Talent für griffige Pointen und Bilder, die bleiben. Und nie kann man ganz sicher sein, ob man an der richtigen Stelle gelacht hat. Wenn einem das Lachen nicht ohnehin gleich im Halse stecken bleibt.

"nach dem urlaub postete ich eine aufnahme / da lief das geburtstagskind / mit seiner brandneuen handtasche /über einen italienischen friedhof // in den kommentarspalten trat eine ins bild / empört man könne grabsteine erkennen / der friedhof sei kein ort / für so eine fotografie //und ich dachte: witzig / ich sehe euch doch die sommer über / in flatterkleidung am mittelmeer posieren // wann fing das an / diese unterscheidung: hier liegen die toten / und dort der strand"

In seinem neuen Gedichtband beweist Czollek einmal mehr sein Sprachgefühl. Durch geschickte Zeilenumbrüche potenziert sich hier mal der Sinn, wird dort mit wenigen Sätzen Atmosphäre heraufbeschworen oder unter der launigen Feder Czolleks kurz darauf wieder zerstäubt.

"aufbruch der stare am abend //an tischen sitzen paare / als befänden sie sich in ausbildung /zum fragezeichen // familiengründung ist wie gedichte schreiben / kommst nie richtig rein /nie wieder raus"

Geschickt und beiläufig vermischt Czollek Persönliches, Popkultur und politische Dimension und versetzt seine ganz eigene Berliner Melange mit einer Prise scharfem Humor. Wondratschek meets Schlingensief. Ein draufgängerischer Gestus oder der abgeschaute Erfahrungsschatz von Actionfilmen - ungestüm ist das manchmal, nachgerade wild, assoziativ sprunghaft.

"ein sommerloch lang dachte ich, mir hätte jemand in die schulter geschossen alle liefen zusammen drückten hektisch küchentücher auf die stelle riefen mit roten gesichtern ist doch gar nichts passiert"

Immer wieder poppen Slogans auf, die man auf T-Shirts drucken könnte. Zugespitzt, zeitgeistig. Unter den "Guten Enden" finden sich auch die Notizen eines Kulturreisenden. So verströmen viele Texte Fernweh und Bewegung. Lyrisch werden etwa der Mittelmeerraum durchquert, die USA, Osteuropa.

"hatte serbien immer gemieden /dachte mir fehlten die verse für noch mehr genozide / und als ich hinfuhr /war mir alles so vertraut"

Aber auch innerdeutsch erblickt Czolleks Dichterauge Sehenswertes. Kleine prosaische Zwischentexte durchziehen, Logbucheinträgen oder Tagebuchnotizen ähnlich, den Gedichtband wie der Luftzug eines geöffneten Fensters. Anreichernd und doch schwer greifbar. Daneben gibt es hier auch den zärtlichen Czollek zu lesen, welcher etwa behutsam seine jüdischen Wurzeln freilegt. Und der trotz aller Stärke, trotz kämpferischem Engagement bisweilen nicht vor Zweifel und Unsicherheit gefeit ist.

"habe ich recht wenn ich angst habe habe ich recht angst zu haben habe ich angst recht zu haben"

Eine Rezension von Moritz Holler

Literaturangaben:
Max Czollek: Gute Enden
Verlagshaus Berlin, Bibliothek Belletristik, 120 Seiten, 22 Euro