Henri Cole, 1956 in Japan geboren, Sohn einer armenisch-französischen Mutter und eines US-amerikanischen Vaters, wuchs in Virginia/USA auf, nachdem er mit seinen Eltern auch in Deutschland und Japan gelebt hatte. In den USA, wo Henri Cole heute am Claremont McKenna College in Kalifornien unterrichtet, hat er bisher 11 Gedichtbände publiziert und ist mit renommierten Preisen ausgezeichnet worden.
"Blizzard" ist sein zweites auf Deutsch erschienenes Buch mit Lyrik. Es umfasst eine Sammlung von 42 Gedichten in freien Versen, die im Original der sehr guten Übersetzung von Henning Ahrens gegenübergestellt sind. Henri Cole erzählt detailliert und präzise von seinen Beobachtungen in der Natur, er schreibt über Reiseerlebnisse und gibt Einblicke in seine introspektiven Auseinandersetzungen.
Da ist die Schnecke, "…die Haut deines eiskalten Körpers zu einem Braunton gealtert" und ein Blizzard, "Der Vogelgesang entwickelt keine vielstimmige Kraft/die im Osten stehende Sonne bezaubert nicht mehr".
Er beschreibt "Schwules Bingo in einem Tierheim", dem er nicht ganz folgen kann, "Ich bin taub für die Zahlen, weil etwa Innerliches hochkommt/dann erscheinen meine Eltern im Bingo–Saal, sie wirken einsam und betrübt" und er schreibt "Über den Stolz", dass er selber eine "bodenlose Enttäuschung" war und resümiert, "Ein Mensch, dem es an Gewieftheit mangelt,/gleicht einer leeren Streichholzschachtel".
Die Lyrik von Henri Cole verknüpft plausibel die Oberfläche der Dinge mit ihrer Tiefenstruktur. Das Reale hat immer etwas mit dem Imaginären, mit der inneren Welt zu tun. Das gelingt in einer überzeugenden Sprache, die bisweilen in bester Lakonie selbst grausamste Sachverhalte schildert. Henri Cole ist ein Dichter, von dem wir noch einiges hören und lesen werden.
Eine Rezension von Matthias Ehlers
Literaturangaben:
Henri Cole: Blizzard. Zweisprachige Ausgabe
Aus dem Englischen von Henning Ahrens
Hanser Verlag, 2023
Band 53 der Edition Lyrik Kabinett
108 Seiten, 24 Euro