WDR 3 Werkbetrachtung: Georg Philipp Telemanns "Singende und Klingende Geographie"
Portugals Hauptstadt, die Nebenflüsse der Donau oder Englands Fürstentümer zu kennen, ist für Musiker keine Kunst – dank Telemanns "Singender Geographie". Zusammen mit seinem Gymnasialdirektor Losius vertonte er fast 40 Lehrgedichte.
Von Andreas Pehl
Im Geographieunterricht gibt es viel auswendig zu lernen. Dass das nicht allen Schülern Spaß macht, müssen Lehrer täglich aufs Neue erfahren. Mit verschiedenen kreativen Ideen versuchen sie, Lerninhalte effektiv in die Köpfe der Schüler zu bringen – das war um 1700 nicht anders als heute.
Am Gymnasium in Hildesheim unterrichtete damals Johann Christoph Losius. Er verfasste ein Geographielehrbuch, in dem alle wichtigen Länder, Städte und Dörfer mit ihren Besonderheiten aufgelistet sind – ein gewaltiger Lernstoff. Doch Losius hatte eine Idee: er reimte und baute Eselsbrücken für seine Schüler. Und er ging noch einen Schritt weiter: Er ließ einen seiner Schüler, den jungen Georg Philipp Telemann, diese Gedichte vertonen.
Der Komponist hat schlichte Melodien mit einer lebendigen Generalbassbegleitung geschrieben. Mal ist es die Andeutung einer Trompetenfanfare, mal eine ungewöhnliche Wendung in der Bassstimme oder ein unerwartetes Zwischenspiel, das bereits bei dem knapp zwanzigjährigen Telemann den musikalischen Ideenreichtum erkennen lässt, für den er später berühmt werden sollte.
Lange Zeit galt Telemanns frühe Komposition als verschollen. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts entdeckte man ein Exemplar von Losius‘ Buch, in das die handschriftlichen Noten von Telemanns Liedern eingebunden waren.
Als der Musikwissenschaftler Adolf Hoffmann 1958 die Liedersammlung "Singende Geographie" herausgab, ergänzte er sie um eine instrumentale Version, die er "Klingende Geographie" nannte. Telemann war schon früh in der Lage gewesen, typische Wendungen und Charakteristika der länderspezifischen Musikstile schnell zu erfassen und sich zu eigen zu machen. So konnte Hoffmann jedem Lied der "Singenden Geographie" einen Instrumentalsatz aus einem anderen Werk Telemanns zuordnen, der im typischen Stil des jeweiligen Landes komponiert ist.
Ach ja! Die Nebenflüsse der Donau – wie war das noch? "Iller, Lech, Isar, Inn fließen rechts zur Donau hin. Altmühl, Naab und Regen sind der Donau links gelegen". Das könnte von Losius stammen. Nur gibt es keine Melodie von Telemann dazu!
Redaktion: Eva Küllmer