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Bühnenbild von Neo Rauch und Rosa Loy für „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen 2022

05.08.2022 – Wagner, „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen

Stand: 05.08.2022, 09:30 Uhr

Die Wiederaufnahme von „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen war ein Triumph für Christian Thielemann. Dass ein Dirigent mehr Applaus und mehr Bravorufe bekommt als die Sänger, ist auch für Bayreuth ungewöhnlich, wo das Publikum ganz eigene Beifallsrituale pflegt und Ablehnung und Zustimmung ohne jede Zurückhaltung – fast wie im britischen Unterhaus – verteilt.

Bei Christian Thielemann war es auch eine Art Rehabilitierung durch die im Festspielhaus anwesenden Vertreter des „Richard-Wagner-Volks“. Denn Thielemann wurde in den letzten Wochen mit Vorwürfen frauenfeindlicher Äußerungen gegenüber Orchestermusikerinnen konfrontriert, die sich aber laut Orchestervorstand, der beteiligten Musikerinnen und laut des Verwaltungsratsvorsitzenden Georg von Waldenfels als nicht begründet darstellten.

Die „Lohengrin“-Aufführung war vor allem aber eine herausragende musikalische Leistung des Dirigenten im Großen wie im Kleinen. Im Großen bei den sich minutenlang aufbauenden und dann kulminierenden Crescendi wie im 1. Aufzug bei der Ankunft Lohengrins. Im Kleinen durch eine Sängerbegleitung, die die Stimmen nie zudeckt, sondern eher noch glänzen lässt, ohne auf Deutlichkeit im Orchester zu verzichten wie im 3. Aufzug zu den Worten von König Heinrich „Habt Dank, ihr Lieben von Brabant!“, wo der auch in dieser Rolle überaus präsente Georg Zeppenfeld von Blechbläsern begleitet wird, die aber so dezent und prägnant spielen, als wäre es das Basso continuo in einer Barockoper. Grandios auch schon die Ouvertüre mit den hohen liegenden Klängen, die Thielemann mit einer Art innerem Puls belebte und so zum Kristallinen das Organische hinzufügte, oder das fröhlich Drauflosspielen im Vorspiel zum 3 Aufzug, das den Musikanten Wagner (und Thielemann) zeigte.

Gleich nach Thielemann kam Klaus Florian Vogt, was die Beifallsmenge anbelangt. Zurecht, denn er ist zur Zeit wohl der beste Lohengrin auf der Welt. Dabei setzte er nicht (nur) auf Kraft und Stimmglanz, sondern traut sich am Ende bei „Mein lieber Schwan“ seine Stimme in ätherische Höhen zu lenken wie ein französischer Haut-Contre. Bei seinen Schlussworten akzentuierte er die gängige Formulierung „Schützer von Brabant“ so überdeutlich, anstelle von „Führer von Brabant“ wie es im Original heißt, dass jeder merken musste, welche Schlüsse man aus der vor einigen Tagen losgetretenen Debatte gezogen hatte, als man in einer Probe mit der Originaldiktion „experimentierte“.

Camilla Nylund als Elsa hatte ihre stärksten Momente in den leisen und behutsamen Momenten wie „Einsam in trüben Tagen“ oder „Es gibt ein Glück, das ohne Reu‘, wohingegen Petra Lang als Ortrud komplementär dazu mit ihrer Stimme, die wie ein Flammenwerfer klingen kann, nicht nur wie eine intrigante Widersacherin wirkte, sondern wie eine Furie.

Den Friedrich von Telramund, dargeboten von Martin Gantner, erlebte man mit viel dramatischem Druck. Dabei hätte man sich etwa in der Debatte mit Ortrud am Beginn des 2. Aufzugs mehr Töne des Selbstzweifels gewünscht.

Zum ersten Mal in dieser Bayreuther Saison kam der Festspielchor zum Einsatz. „Lohengrin“ ist ja Wagners Choroper par excellence, in der Eberhard Friedrich, langjähriger Bayreuther Chorleiter, in den großen repräsentativen Tableaus schmetternde Wucht genauso beförderte wie umgekehrt in den Handlungsszenen etwa dort, wo als Elsa nach Lohengrin ruft, ein kommentierendes Parlando. Übrigens ganz apart in dezenter Zurückhaltung hörte sich das Brautlied „Treulich geführt“ im 3. Aufzug an.

Das Wiedersehen mit der Inszenierung Yuval Sharon, die 2018 Premiere hatte und dem Bühnenbild der Maler Neo Rauch und Rosa Loy mit den Blau- und Orangetönen, den malerisch ausdrucksstarken, halbabstrakten Zwischenvorhängen, den barocken Tableaux vivants nachempfundenen Szenenarrangements, erwies sich nach allem, was man im parallel laufenden „Ring des Nibelungen“ in dieser Festspielsaison auf dem grünen Hügel erlebt, nicht nur in seiner Bildkraft, sondern vor allem in dem Raum, den die Bühne der Musik lässt, als ein produktiver Zugang zu Werk und Stoff, den man in den Vorjahren vielleicht etwas unterschätzt hatte.

Premiere: 04.08.2022

Besetzung:
König Heinrich (Heinrich der Vogler): Georg Zeppenfeld
Lohengrin: Klaus Florian Vogt
Elsa von Brabant: Camilla Nylund
Friedrich von Telramund: Martin Gantner
Ortrud: Petra Lang
Der Heerrufer des Königs: Derek Welton
u.v.a

Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele

Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Inszenierung: Yuval Sharon
Bühne und Kostüme: Rosa Loy, Neo Rauch
Licht: Reinhard Traub
Chorleitung: Eberhard Friedrich