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26.07.2018 - Wagner, „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen

Stand: 26.07.2018, 13:50 Uhr

Bei der neuen Bayreuther Lohengrin-Produktion konzentrierte sich das Interesse vorher darauf, wie das Bühnenbild des Leipziger Malerstars Neo Rauch und seiner Frau Rosa Loy aussehen würde. Tatsächlich war der Abend aber vor allem ein Triumph von Pjotr Beczała.

Er hatte die Titelpartie erst vor wenigen Wochen von Roberto Alagna übernommen, der angeblich Schwierigkeiten mit dem deutschen Operntext hatte. Das war bei dem polnischen Tenor ganz anders: er war der einzige an diesem Abend, dessen gesungene Worte man wirklich verstehen konnte. Beczała kommt vom italienischen Belcanto her. Und so sang er den Lohengrin: mit kerniger, klarer Stimme, mit Emotion und Emphase. Die Gralserzählung war bei ihm kein ätherisches Statement eines Oberpriesters, sondern der Verzweiflungsgesang eines enttäuschten und verletzten Liebhabers, ein Schluchzen und Bedauern, Ausdruck einer tiefen Verletzung. Er bricht auf der Bühne zusammen, anstatt erhobenen Hauptes unnahbar eine bittere Weisheit zu verkünden.

Das war übrigens auch einer der wenigen erkennbaren Regieeinfälle des amerikanischen Regisseurs Yuval Sharon, der sich sonst schwer tat, in Neo Rauchs Bühne die Personen zu führen. Besonders die vielen Chorszenen wirkten statuarisch und altbacken. Minutenlanges Blumenstreuen bei der Ankunft Elsas am Münster, uniforme Menschenansammlungen rechts und links an der Bühne, ohne dass man spürte, was die Massen antrieb oder worauf sie reagierten. Dabei ist die Chorregie für jede Lohengrin-Inszenierung der Dreh-und Angelpunkt. Man erinnere sich nur an die Bayreuther Vorgänger-Inszenierung von Hans Neuenfels mit den Rattenkostümen.

Vor 18 Jahren hatte die große Wagner-Sängerin Waltraud Meier nach einem Streit die Festspiele verlassen. Jetzt kam die mittlerweile 62jährige Sängerin in der Rolle des Ortrud noch einmal zurück. Phänomenal, wie sie im 2. Aufzug bei „Entweihte Götter! Helft jetzt meiner Rache“ mit schneidender Schärfe und klarer Diktion sich gegenüber Elsa durchsetzt.

Interessant war zu hören, wie sich Anja Harteros als Elsa in dieser zentralen Szene im Stimmtimbre ihrer Widersacherin annäherte und mit Eindringlichkeit auf Ortrud einwirkte etwa bei „Du Ärmste kannst wohl nie ermessen, wie zweifellos mein Herze liebt“. Hier diskutierten zwei gleichberechtigte Frauen auf Augenhöhe, die rein sängerisch, aber kaum in szenischer Verdeutlichung, das Thema Aufklärung versus Hingabe verhandeln.

Den geradezu enthusiastischen Schlussapplaus mit Bravos und Getrampel empfingen Pjotr Beczała, Waltraud Meier und Anja Harteros in leicht abgestufter Reihenfolge, nicht zu vergessen Georg Zeppenfeld als König Heinrich. Tomasz Konieczny machte aus dem Telramund einen Wüterich mit viel Stimmkraft, aber ohne Hintersinn.

Christian Thielemann vollendete an diesem Abend seinen Bayreuther Wagner-Reigen. Er hat dort mit diesem „Lohengrin“ nun alle Opern von Wagner dirigiert. Allerdings tat er sich diesmal hörbar schwer. Die Chornummern im ersten Aufzug gerieten aus den Fugen. Und in vielen Passagen grummelte das Orchester aus dem verdeckten Graben fast unhörbar dahin. Sängerfreundlich war das schon, aber eben nicht ausbalanciert.

Es stellte sich außer in den Vor-und Zwischenspielen so gar keine musikalische Präsenz her. Dabei hatte es im mit der Ouvertüre noch vielversprechend angefangen, wie er die Linien der Streicher heraus modellierte, zart und zerbrechlich und dann unversehens im Mittelteil einen breiten pastosen Ton anschlug. Das war klug analysiert und schön musiziert, aber eben nur in den reinen Orchesterstellen.

3. Aufzug von Wagners „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen 2018

3. Aufzug von Wagners „Lohengrin“ bei den Bayreuther Festspielen 2018

Neo Rauch und Rosa Loy sind Maler und keine Theaterkünstler. Das Schönste an ihrem Bühnenbild ist der Bühnenprospekt, ein blaues Gemälde mit Unwetter-Wolken durchzogen und einem weißen Lichtstrahl, der schräg durchläuft. Auf der insgesamt immer in blau gehaltenen Bühne sieht man altertümliche Gebäude aus der Elektrizitätswirtschaft, ein E-Werk, Strommasten, ein Trafohäuschen. Die Idee davon ist, dass mit dem Auftreten von Lohengrin ein Energieschub in die archaische Gesellschaft der Brabanter einfließt. Diese Menschen sind in historisch anmutende Kostüme gekleidet. Man kennt ja Neo Rauchs surrealistisch figürliche Bilder mit den traurig versonnen dreinblickenden, entwurzelten Menschen darin. Das Problem bestand auf der Bayreuther Bühne aber darin, dass die Menschen dort nur kostümiert wirkten. Selten stellte sich die Magie des Bildes ein, etwa als im zweiten Aufzug in dem Fenster dieses Trafohäuschens der Kopf von Elsa in hellem unwirklichen Licht erscheint und versonnen die Ankunft von Lohengrin reflektiert. Oder wenn Ortrud und Telramund ihre Lage diskutieren und dabei in den dunklen Kulissen orientierungslos in einer Schilflandschaft stehen.

Von den Versprechungen, die Neo Rauch und Rosa Loy abgegeben zuvor hatten, ihr „Lohengrin“ solle in romantischer Weise verzaubern und dem Publikum keine Regietheaterverrenkungen zumuten, haben sie die zweite ganz, die erste nur manchmal eingelöst.

Besetzung:
König Heinrich: Georg Zeppenfeld
Lohengrin: Piotr Beczała
Elsa von Brabant: Anja Harteros
Friedrich von Telramund: Tomasz Konieczny
Ortrud: Waltraud Meier
Der Heerufer des Königs: Egils Silins
Die vier Edlen: Michael Gniffke, Eric Laporte, Kay Stiefermann, Timo Riihonen

Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele

Musikalische Leitung: Christian Thielemann
Inszenierung: Yuval Sharon
Bühne und Kostüme: Neo Rauch und Rosa Loy
Licht: Reinhard Traub
Choreinstudierung: Eberhard Friedrich