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Nana Dzidziguri als Ulrica in "Un ballo in maschera" von Verdi

22.12.2022 – Verdi, „Un ballo in maschera“ in Bonn

Stand: 22.12.2022, 09:30 Uhr

Zu Beginn entsteigt Graf Riccardo, der Gouverneur von Boston, seinem Sarg, nimmt selbst an der Intrige teil, die zu seiner Ermordung führt, um sich am Schluss wieder in den Sarg zu legen. Er ist eine Art Untoter, der zwar anwesend ist, aber nicht als handelnde und empfindende Person. Falls das die Idee von Regisseur David Pountney war, dann wurde sie von Leonardo Caimi als Riccardo mit seinem ungelenken, posenhaft-unbeteiligten Agieren in der von Raimund Bauer geschaffenen, aus architektonischen Versatzstücken bestehenden Szenerie gut umgesetzt. Das wäre allerdings eine sehr übertriebene Analyse dessen, was man auf der Bühne der Bonner Oper zu sehen und zu hören bekam. Denn abgesehen von den Rahmenszenen, war von dieser Wiedergänger-Idee nichts zu spüren, sondern nur ein sich mit der Modellierung seiner Tenorklänge begnügender Sänger.

Nicht einmal von dem schneidenden Furor der Wahrsagerin Ulrica, wie sie von Nana Dzidziguri mit Respekt und Angst einflößenden Bühnenpräsenz gegeben wird, lässt er sich beeindrucken. Und auch nicht von Amelias Gewissensqualen, seiner heimlichen Geliebten und Gattin seines Freundes Renato. In der Darstellung von Yannick-Muriel Noah fehlten dieser Rolle allerdings auch die feinen Zwischentöne, die es z. B. für die Arie „Ma dall’arido stelo divulsa“ zu den wie aus dem Jenseits klingenden Tönen des Englischhorns braucht, jene Stelle, wo sie sich Heilung von ihren Liebesqualen erhofft.

Es war in dieser Aufführung vor allem der Bariton Giorgos Kanaris als Renato, der ein überzeugendes Verdi-Rollenporträt ablieferte, insbesondere in seiner berühmten Arie „Eri tu“, als er den Plan fasst, Riccardo anstelle von Amelia zu ermorden. Man erlebte vor dem Hintergrund einer blutrot erleuchteten Bühne und hohen dunklen Mauerreihen einen (stimmlich wie auf der Bühne) präsenten, willensstarken und zugleich reflektieren Darsteller, dem man anmerkte, dass er sich seiner Handlungsmotive gar nicht so sicher schien, wie seine Worte den Anschein erregten.

Bleibt da noch die Figur des Pagen Oscar, eine Hosenrolle für einen lyrischen Koloratursopran, der in ein punkiges Outfit gesteckt wurde, wie überhaupt alle Kostüme von Marie-Jeanne Lecca zwischen karnevalesk und Rocky Horror Picture Show geschneidert wurden. Marie Heeschen traf in „Saper vorreste“ im 3. Akt einen leichten und dabei hintergründigen Tonfall, eine Mischung aus Offenbachscher Unbekümmertheit und Mozartscher Tiefe.

Dirigent Will Humburg hatte es zunächst nicht einfach mit seinem Sängerpersonal. Es schien – als eine Art optisch-akustische Täuschung –, als ob die Betulichkeit auf der Bühne in den Orchestergraben schlug. Im dritten Akt aber setzte er sich mit energischen Drive durch und konnte die Sänger, wie man es von ihm sonst in vielen schönen Aufführungen in Bonn in guter Erinnerung hat, zu Verdi‘scher Emphase anstacheln, nicht zuletzt die Bonner Opernchöre, die im „Maskenball“ ja durchaus mehr als Staffage sind.

Besuchte Vorstellung: 21.12.2022, Premiere: 11.12.2022, noch bis zum 16.04.2023

Besetzung:
Riccardo: Leonardo Caimi
Renato: Giorgos Kanaris
Amelia: Yannick-Muriel Noah
Ulrica: Nana Dzidziguri
Oscar: Marie Heeschen
Silvano: Carl Rumstadt
Samuel: Andrei Nicoară
Tom: Martin Tzonev
Ein Richter: Tae Hwan Yun
Ein Diener:Amelias: Justo Rodriguez

Chor und Extrachor des Theater Bonn
Beethoven Orchester Bonn

Musikalische Leitung: Will Humburg
Inszenierung: David Pountney
Bühnenbild: Raimund Bauer
Kostüme: Marie-Jeanne Lecca
Licht: Fabrice Kebour
Choreinstudierung: Marco Medved