Juliane Banse (Ellice Staverton), Holger Falk (Osbert Brydon) in: “Septembersonate” von Manfred Trojahn

04.12.2023 – Manfred Trojahn, „Septembersonate“ in Düsseldorf

Stand: 04.12.2023, 09:30 Uhr

Nach den großen Stoffen Orest und Eurydice lieferte der in Düsseldorf und Paris lebende Komponist Manfred Trojahn nun an der Rheinoper seiner Heimatstadt mit „Septembersonate“ ein Kammerspiel ab, worauf schon der Titel „Sonate“ hindeutet, also auf etwas Intimes und Reflektiertes. Und mit „September“ ist der sonnige Lebensherbst der Protagonisten Osbert und Ellice gemeint, die sich als junge Menschen kannten, aber nicht zueinander fanden und nun über zukünftige Lebenschancen und vertane spekulieren. Ellice ist Schauspielerin geworden, Osbert Schriftsteller. Er kehrt in die Heimat zurück, um sein Erbe anzutreten, ein Haus, in dem es nicht ganz geheuer zugeht, wie Mrs. Muldoon, die Haushälterin weiß.

Manfred Trojahn hat sich selbst sein Libretto in sechs Szenen nach der Erzählung „The Jolly Corner“ von Henry James geschrieben, dem Autor von „The Turn of the Screw“. Aber während in Benjamin Brittens Oper Beklemmung, Angst und Tod herrschen, geht es in Trojahns neuer Oper eher gesittet zu: es herrscht ein gepflegter Konversationston vor, und nur in wenigen Schlüsselmomenten gibt es so etwas wie opernhafte Gefühlsausbrüche, etwa wenn Osbert mit seinem Schicksal als Künstler hadert, das ihn zum Egoisten gemacht hat und ruft: „Niemand kann auf dich zählen.“ Im Orchester hört man dazu aber eine reduzierte Musik, dumpfe Schläge der Großen Trommel und Pizzicato-Tonrepetitionen der Streicher.

Die kompositorische Kunst von Trojahn besteht eigentlich darin, musikalischen Ausdruck durch Zurücknahme zu erzeugen. Dabei scheut er keineswegs vor Anklängen an Mahler oder Strauss zurück, aber nicht auf plakative Weise, eher auf lustvolle Art. Zu Beginn der 2. Szene sinniert Osbert darüber, was hätte geschehen müssen, dass er und Ellice ein Paar werden. Danach entspinnt sich ein minutenlanges instrumentales Zwischenspiel, in dem das Cello ein ausgedehntes Solo im barocken Tonfall zelebriert. Überhaupt ermöglicht die Besetzung des kleinen Orchesters, bestehend aus einem Bläserquintett, Streichern ohne Violine plus Klavier, Celesta und Schlagwerk eine Vielzahl an Schattierungen, die von Trojahn und dem Dirigenten Vitali Alekseenok aber immer dezent platziert werden.

Dieses „Kammerspiel“ hält den Zuhörer immer ein bisschen auf Distanz, man bleibt Zaungast, wie übrigens die Protagonisten selbst auch, denn Regisseur Johannes Erath und Ausstatterin Heike Scheele zeigen am Schluss Ellice und Osbert im Video als Besucher der Düsseldorfer Rheinoper, gewissermaßen so, als erlebten sie ihre Wiederbegegnung nur als Betrachter. Spätestens an dieser Stelle, was sich zuvor durch die drastische schwarz-weiss-Optik, und die mitunter gestelzte Gestik angedeutet hat, wurde dann auch deutlich, dass Erath den Plot auch mehr als Groteske denn als Gruselstück transportierte.

Es gibt in dem Stück übrigens nur vier Personen: Ellice, etwas schrill gesungen von Juliane Banse, erscheint in weißblondem Haar als eine Art gealterte Marilyn Monroe, Holger Falk ist ein vielleicht etwas zu jugendlicher Osbert, mit baritonalem Schmelz und dann ist da noch ein Osbert II als Alter Ego und die Haushältern Mrs. Muldoon als Stichwortgeberin. Nach 90 Minuten ist alles vorbei.

Uraufführung: 03.12.2023, noch bis zum 27.01.2024

Besetzung:
Osbert Brydon: Holger Falk
Ellice Staverton: Juliane Banse
Osbert II: Roman Hoza
Mrs. Muldoon: Susan Maclean

Düsseldorfer Symphoniker

Musikalische Leitung: Vitali Alekseenok
Inszenierung: Johannes Erath
Bühne und Kostüme: Heike Scheele
Licht: Nicol Hungsberg
Video: Bibi Abel
Dramaturgie: Anna Melcher