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Mirko Roschkowski (Amandus), Anne-Fleur Werner (Lilian), in: Franz Schreker, „Der singende Teufel“

22.05.2023 – Franz Schreker, „Der singende Teufel“ in Bonn

Stand: 22.05.2023, 09:30 Uhr

Die verdienstvolle Reihe „Fokus 33“ an der Oper Bonn ist maßgeblich dem kürzlich viel zu früh verstorbenen Operndirektor Andreas K. W. Meyer zu verdanken. Er hatte in den letzten Jahren so unbekannte Werke wie „Li-Tai-Pe“ von Clemens von Franckenstein, „Asrael“ von Alberto Franchetti oder „Ein Feldlager in Schlesien“ von Meyerbeer auf die Bühne bringen können. Das alles sind Werke, die „nach 1933 oder ab 1945 aus den Spielplänen verschwanden“ aus den unterschiedlichsten Gründen, sei es aufgrund der Repressionen auf die Kultur durch die Nazidiktatur oder sei es auch aufgrund des radikalen Stilwandels nach dem Zweiten Weltkrieg. Die jüngste Premiere im Rahmen von „Fokus 33“ war die Oper „Der singende Teufel“ von Franz Schreker.

Der Komponist Schreker, dessen Werke von den Nazis als „entartet“ diffamiert wurden, erlebt seit den späten Siebzigerjahren eine Renaissance mit Werken wie „Der ferne Klang“ oder „Die Gezeichneten“. Seine 1928 uraufgeführte Oper „Der singende Teufel“ aber hat es nach einer gekürzten Aufführung in Bielefeld 1989 überhaupt nicht mehr die Bühne geschafft.

In diesem Werk geht es um die Macht und die Gewalt, die eine Orgel ausüben kann. Amandus vollendet eine gewaltige Orgel seines Vaters, die von Mönchen als Kriegsinstrument gegen die Heiden eingesetzt wird. Die silbernen, versöhnlichen Register, die Amandus neu eingebaut hat, versagen aber, und es kommt zum Gemetzel. Daran zerbricht er, wird von Lilian, seiner heidnischen Braut, gepflegt, die die Klosterkirche in Brand setzt, worauf noch einmal die silbernen Pfeifen „wie Himmelstimmen“ erklingen.

Bis zu diesem Showdown präsentiert Schreker, der das Libretto selbst verfasst hat, in dieser Oper einen bilderreichen Plot, in dem die pantheistisch angehauchten Heiden ein Frühlingsfest feiern, während die Mönchen in dunkler Orthodoxie verharren. Aber anders als in seinen frühen Opern verzichtet Schreker hier auf den erotisierenden klangsinnlichen Stil, sondern lässt die Protagonisten über weite Strecken ihre Partien quasi rezitativisch vortragen. Das tun Mirko Roschkowski als Amandus in einer Mammutpartie, Anne-Fleur Werner als Lilian und Tobias Schabel als Pater Kaleidos mit bemerkenswerter Textklarheit und großem stilistischem Gespür. Auch Dirk Kaftan münzt die langen Zwischenspiele nicht in eine romantisierende Sinfonik um, sondern lässt, etwa wenn die Orgel das Niedermetzeln der Heiden in Gang setzt, das Orchester in scharfen dissonanten Clustern ertönen.

Alles in allem versteht man - auch nach der Bonner Wiederaufführung - die musikalischen Gründe, warum „Der singende Teufel“ bisher nicht an der Schreker-Renaissance teilhatte. Aber für die Regie und die Bühne bietet das Stück Steilvorlagen. So zeigt die Bühne von Dirk Hofacker, immer dort, wo von der Orgel die Rede ist, also in den Szenen in der Klosterkirche, einen Bühnenprospekt mit zahllosen übereinander geschichteten Klappstuhl-Reihen, die zugleich spartanische Kirchenbänke wie auch eine überdimensionierte Orgelregistratur oder auch Klaviatur darstellen können. Die Welt der Heiden sieht aus wie eine Eislandschaft, und wenn Lilian versucht, Amandus zu den Heiden herüberzuziehen, sind beide in riesig Notenblätter gehüllt, Seiten aus dem Klavierauszug der Oper, womit die Regisseurin Julia Burbach andeutet, dass in der Figur des Amandus, der übrigens die ganze Zeit auf der Bühne ist, sich autobiographische Züge verbergen. Und es ist ihr vor allem gelungen, die Charaktere unaufdringlich und doch plastisch zu zeichnen, Amandus als innerlich bewegten Künstlertyp, den Pater Kaleidos in lehrerhafter Distanziertheit, ferner die unnahbare Heidenkönigin Alardis (Dshamilja Kaiser), den tumben, ungezügelten Ritter Sinbrand (Pavel Kudinov) oder den spitzfindig-agnostischen maurischen Pilger (Carl Rumstadt).

Alle Kräfte des Hauses, sagte Intendant Bernhard Helmich, habe man in diesem Projekt in memoriam Anderas K. W Meyer gebündelt, dessen Beitrag im Programmbuch die Überschrift trägt „Schreker! Spielen! Gefälligst! Um dann einzugestehen, dass man mit der Prognose bezüglich der Zukunftschancen eines Œuvres am Rande des Repertoires lieber etwas vorsichtig“ sein sollte.

Premiere: 21.05.2023, weitere Aufführung bis 16.06.2023

Besetzung:
Amandus Herz: Mirko Roschkowski
Lilian: Anne-Fleur Werner
Pater Kaleidos: Tobias Schabel
Alardis: Dshamilja Kaiser
Ritter Sinbrand von Fraß: Pavel Kudinov
Der maurische Pilger: Carl Rumstadt
Lenzmar: Tae Hwan Yun
Abt: Boris Beletskiy
Alumnen: Ava Gesell, Alicia Grünwald
Laienbrüder: Wooseok Shim, Hyoungjoo Yun
Ein Heide: Algis Lunskis
Die Vermummten: Jae Hoon Jung,  Hyeok Park, Justo Rodriguez, Christian Specht, Jonghoon You
Tanzensemble: Edit Domoszlai, Kevin Franc, Tyler Galster, Enrique Lopez Flores, Rosalia Panepinto, Kaja Piszczek, Adrian Ros

Chor und Extrachor des Theaters Bonn
Beethoven Orchester Bonn

Musikalische Leitung: Dirk Kaftan
Inszenierung: Julia Burbach
Ausstattungf: Dirk Hofacker
Dramaturgie: Andreas K. W. Meyer
Choreografie: Cameron Mc Millan
Choreinstudierung: Marco Medved