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17.06.2018- Dmitri Schostakowitsch, „Die Nase“ an der Komischen Oper Berlin

Stand: 17.06.2018, 13:50 Uhr

Von dem russischen Regisseur Wsewolod Meyerhold stammt die Erkenntnis, dass das Groteske Elemente des Tanzes enthält. Meyerholds biomechanisches Theater war der geistige Fundus, aus dem Schostakowitsch seinen Opernerstling „Die Nase“ schuf, ein Stück, in dem sich die Nase des Kollegienassessors Platon Kusmitsch Kowaljow selbstständig macht und dieser albtraumhaft sein Riechorgan wieder zu erlangen versucht, eine Suchanzeige aufgeben will, die Polizei beauftragt oder seiner Nase gut zuzureden versucht, ohne Erfolg. Das Stück basiert auf einer Satire von Nikolai Gogol.

In Barrie Koskys Inszenierung, die zuerst in London zu sehen war und jetzt ihre Premiere an der Komischen Oper Berlin erlebte, wird getanzt. Ein Männerballett hat sich körperbedeckende Nasenhüte aufgesetzt, unter denen behaarte Beine rausragen, die einen virtuosen Steptanz absolvieren. Ein andermal zappeln sie synchron als am Schicksal von Kowaljow desinteressierte Polizisten oder tragen weibliche Unterwäsche am Körper und Rauschebärte am Kopf. Grotesker und auch lustiger geht es nicht. Das ist natürlich ein ideales Stück für Barrie Kosky mit seiner Vorliebe für die Revue und das Schlüpfrige.

Das Nasen-Step-Ballett in Schostakowitschs Oper „Die Nase“

Das Nasen-Step-Ballett in Schostakowitschs Oper „Die Nase“

Aber er belässt es nicht bei diesen Knalleffekten, denn im Mittelpunkt steht ja doch immer der arme Kowaljow, der von Günter Papendell anrührend traurig gesungen und gespielt wird und der dabei immer noch einen energischen Selbstbehauptungswillen an den Tag legt. Er bewegt sich in dem optischen und akustischen Trubel wie Buster Keaton in seinen Stummfilmen. Auch das ist direkt dem Körpertheater Meyerholds entlehnt.

Schostakowitsch Musik ist selbst grotesk, aber er wollte, wie er sagte „keine Witze über die Nase machen“. Die Musik jammert, wenn Kowaljow sein Schicksal beklagt, sie rülpst und furzt nach einem Zechgelage, tanzt Polka und Walzer oder schlägt einen choralartigen Gesang an, in der Szene, in der sich seine Nase unter eine Trauergemeinde gemischt hat. Ainārs Rubiķis, der künftige GMD der Komischen Oper Berlin, veranschaulicht diese verschiedenen Musikarten so deutlich, wie das auf der Bühne mit Bild und Bewegung geschieht. Allerdings geht dabei der „ununterbrochene sinfonische Strom“, auf den es Schostakowitsch auch ankam etwas verloren. Das lag aber szenischen Arrangement, das diesen Strom durch Einlagen aller Art (siehe Step-Ballett) immer wieder unterbrach.

Zu diesem Arrangement gehört unbedingt auch das Programmheft dazu, in dem man in satirisch-ernster Weise eine umfassende Nasologie durch die Jahrhunderte nachlesen kann, die eine Literaturgeschichte der Nase genauso beinhaltet wie eine medizingeschichtliche Abhandlung und psychoanalytische Deutungen der Nase als Penissymbol.

Premiere: 16.06.2018, noch bis zum 14.07.2018

Besetzung:

Platon Kusmitsch Kowaljow: Günter Papendell
und 77 andere Partien
sowie 11 Tänzer unter dem Dance Captain Silvano Marraffa

Musikalische Leitung: Ainārs Rubiķis
Inszenierung: Barrie Kosky
Choreographie: Otto Pichler
Bühnenbild und Licht: Klaus Grünberg

Co-Bühnenbild: Anne Kuhn
Kostüme: Buki Shiff
Dramaturgie: Ulrich Lenz
Chöre: David Cavelius