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14.08.2022 – Puccini, "Il trittico" bei den Salzburger Festspielen

Stand: 14.08.2022, 09:30 Uhr

Asmik Grigorian ist der Star der Salzburger Festspiele wie einst Cecilia Bartoli (dieses Jahr als Rosina im "Barbier von Sevilla") oder Anna Netrebko, die 2022 seit langer Zeit gar keinen Auftritt in Salzburg hat. Asmik Grigorian wirkt nie wie eine Diva weder als Salome, mit der sie 2018 in Salzburg ihren Durchbruch erlebte, noch als Senta letztes Jahr bei den Bayreuther Festspielen. Allerdings hatten ihr zuliebe der Dirigent Franz Welser-Möst und der Regisseur Christof Loy die Dramaturgie des Triptychons geändert und die Reihenfolge der drei Kurzopern so umgestellt, dass Asmik Grigorian von Stück zu Stück größere Entfaltungsmöglichkeiten hatte. Sie sang alle drei weiblichen Hauptrollen, an sich schon eine Besonderheit.

Normalerweise steht "Gianni Schicchi" als komödiantischer Rauswerfer über die Testamentsfälschung am Schluss, hier aber am Anfang. Denn Grigorian hat in der Rolle der Lauretta im Grunde nur einen wichtigen Auftritt, nämlich die berühmte Arie "O mio babbino caro", mit der sie ihren Vater Gianni Schicchi (Misha Kiria mit viel Spielwitz) davon zu überzeugen versucht, ihr bei der Liaison mit Rinuccio behilflich zu sein. Sie steht da auf der Bühne in einem ländlichen Kleid und wirkt unschuldig, bis sie ihre Stimme nach und nach immer glutvoller strömen lässt, so dass der Vater (und das Publikum) dahinschmelzen – um sich danach wieder in die turbulente, von Situationskomik nur so trotzende Geschichte einzureihen, als wäre nichts gewesen, von Christof Loy auch in den anderen Teilen mit choreographischer Genauigkeit und der Liebe zum Detail virtuos ausinszeniert.

Als Mittelstück kam "Il tabarro", sonst am Anfang stehend. Hier ist Asmik Grigorian als Giorgetta mit blondem Haar, roter Bluse und halblangem Rock nun eine Frau, deren Beziehung Schaden genommen hat, und zwar durch den für sie und besonders für ihren Mann, den Schiffer Michele traumatischen Verlust des Kindes. Aber nicht in der halbherzigen Flucht in die Affäre mit Luigi (Joshua Guerrero druckvoll und ein bisschen eindimensional), sondern in ihrer Hymne auf die Pariser Vorstadtidylle drückt sich eine merkwürdige Art von Leidenschaft aus als Sehnsucht nach bürgerlicher Normalität. Beinahe irritierend ist auch hier diese beiläufige Intensität, die Grigorian der Rolle mitgibt, durch die sie für einen längeren Augenblick aus dem Panorama der Genreszenen an den Ufern der Seine aufleuchtet, als eine ansonsten fast gewöhnlichen Frau.

Asmik Grigorian (Suor Angelica), Karita Mattila (La Zia Principessa), in: „Il trittico – Suor Angelica“ bei den Salzburger Festspielen

Asmik Grigorian (Suor Angelica), Karita Mattila (La Zia Principessa), in: „Il trittico – Suor Angelica“ bei den Salzburger Festspielen

Bis sie im Schlussstück "Suor Angelica" (sonst in der Mitte von "Il trittico") endlich, möchte man sagen, ein ganz großes Frauenporträt zeichnen kann. Hier ist ihre Gegenspielerin die Fürstin, die als ihre Tante ins Kloster gekommen ist, wohin Angelica wegen eines unehelichen Kindes verbannt wurde. Karita Mattila zeigt die Tante aber nicht nur als fühllose Vollstreckerin des Familienwillens, sondern trotz äußerlicher Strenge als unsichere Person. Über den Verlauf von einer Stunde, mündend in einen 20minütigen Monolog, sieht man Asmik Grigorian wie in einem langen Charakter-Crescendo von der in sich gekehrten Dulderin bis zur Ekstase im Selbstmord. Und bei diesem Crescendo erinnert man sich wieder an den Anfang, als sie noch mit der Unbekümmertheit der Lauretta in die Szene trat.

Franz Welser-Möst war dabei im besten Sinn ihr Begleiter, denn er zeichnete mit den Wiener Philharmonikern die klanglichen Hintergründe der drei Panoramen (Sterbezimmer, Flussufer und Klosterklausur) wie ein Genremaler. Und er war es auch, der verhinderte, dass die Oper "Suor Angelica" am Schluss zum Sakralkitsch verkommt, denn den Puccini-typischen musikalischen Überdruck ließ er nur ganz bewusst und dosiert ausströmen.

Premiere: 29.07.2022, besuchte Aufführung: 13.08.2022

Besetzung (Hauptrollen)

Gianni Schicchi:
Gianni Schicchi: Misha Kiria
Lauretta: Asmik Grigorian
Rinuccio: Alexey Neklyudov
Zita: Enkelejda Shkosa

Il tabarro:
Michele: Roman Burdenko
Giorgetta: Asmik Grigorian
Luigi: Joshua Guerrero

Suor Angelica:
Suor Angelica: Asmik Grigorian
La Zia Principessa: Karita Mattila

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker

Musikalische Leitung: Franz Welser-Möst
Inszenierung: Christof Loy
Bühnenbild: Etienne Pluss
Kostüme: Barbara Drosihn
Licht: Fabrice Kebour
Dramaturgie: Yvonne Gebauer