10.03.2020 – Oper in Zeiten von Corona

Stand: 10.03.2020, 12:25 Uhr

Was mache ich als Opernredakteur in Zeiten von Corona? Erst einmal Angst haben, den Live-Ticker der Tagesschau verfolgen und darauf hoffen, dass die Kurve der Neuinfektionen endlich abflachen möge. Und dann den Terminplan zusammenstreichen.

Findet "Il trovatore" an der Oper Köln noch statt. Sind da mehr als 1000 Plätze, also eine Großveranstaltung der Größe, für die behördliche Auflagen gelten? Das ist schnell geklärt: Die Oper Köln spielt im Staatenhaus. Es verfügt über drei Spielorte: Saal 1 (ca. 850 Plätze), Saal 2 (ca. 800 Plätze) und Saal 3 (ca. 200 Plätze). Auf der Website: keine abgesagten Veranstaltungen. Anders als in der Kölner Philharmonie: Dort werden "alle Veranstaltungen, bei denen mehr als 1.000 Personen im Saal zu erwarten sind, im optimalen Fall auf ein späteres Datum" verschoben oder abgesagt. Aber: "Alle Konzerte, bei denen unter 1.000 Personen zu erwarten sind, werden stattfinden". Sehr diplomatisch, aber auch nachvollziehbar, denn mit jeder Absage entstehen jede Menge juristische Problem und künstlerisch-kulturelle Einbrüche. Wirklich nachvollziehbar? Neu ist, das lese ich da heraus: Gott-sei-Dank gibt es jetzt auch Veranstaltungen, für die kein volles Haus zu erwarten ist.

Wie ist es sonst in NRW? Das Aalto-Theater in Essen fasst 1125 Besucher. Ich finde keinen Hinweis, vielleicht übersehen am 10. März, oder er kommt noch. Die Deutsche Oper am Rhein: "Die Vorstellungen … finden bis auf weiteres mit begrenzter Zuschauerzahl statt". Gelsenkirchen:  "Der Spielbetrieb am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen (MiR) wird ab sofort bis auf weiteres eingestellt." Noch eine Stichprobe, ein kleineres Theater, Aachen: keine Hinweise.

Und außerhalb von NRW? Ich wollte unbedingt am Nationaltheater Mannheim mir die Rarität "Hippolyte et Aricie" von Rameau anschauen. Premiere ist am 29.03. Auf der Website des Theaters liest man: "Jede Veranstaltung mit über 1.000 Besuchern wird von den Behörden im Einzelfall geprüft". Das Opernhaus hat 1156 Sitzplätze. Man gebe aber nicht alle Plätze in den Verkauf. Bayern und Berlin haben alles abgesagt. Der Kultursenator Lederer hat sich in der ARD merkwürdig ausgedrückt. Es sei zu bedenken, dass ein Unterschied bestehe, ob man in einem unbelüfteten Opernhaus sitze oder an einer Demo teilnehme und ergänzte sich halb entschuldigend, das Opernhaus könne auch mäßig oder sogar gut belüftet sein. Übrigens in Österreich sind sie jetzt auf 100 Plätze runtergegangen.

Das ist also Föderalismus. Also suche ich mir meine Opernbesuche jetzt nach der Größe der Spielstätte aus oder ich lasse es gleich, aus Angst und um dem Appell des Bundesgesundheitsministers zu folgen, nämlich sich zu fragen, was jeder einzelne gegen die Ausbreitung des Virus tun kann.

Im Kulturradio WDR 3 gibt es aber nach wie vor Opern: jeden Sonntag um kurz nach acht. Am 15.03.2020 die Opéra pastorale heroïque in einem Prolog und fünf Akten von André Cardinal Destouches, auch eine echte Rarität aus dem Frankreich zur Zeit Ludwigs XIV.

Und noch eins. Ich bilde mir ein, über eine gewisse ästhetische Urteilskraft zu verfügen. Was mich von Anfang an gestört hat, sind die dreidimensionalen grafischen Darstellungen des Virus, die für mich immer aussehen, als hätte ein mäßig begabter Bühnenbildner einen Bühnenprospekt für eine Science- Fiction-Oper entworfen. Andererseits, was ist denn das Virus anderes als eine Sonde mit Landekraken, die in unserem Immunsystem andockt.