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Laurent Kubla (Leporello) und Davide Luciano (Don Giovanni) an der Oper Lüttich

14.05.2022 - Mozart, „Don Giovanni“ in Lüttich

Stand: 14.05.2022, 09:30 Uhr

Ein phänomenaler Titeldarsteller und ein phänomenaler Dirigent machten die Premiere von „Don Giovanni“ an der Lütticher Oper fast zu einem festspielwürdigen Ereignis. Wie schon letztes Jahr in Salzburg schmetterte Davide Luciano seine „Champagnerarie“ mit Kraft, Tempo und präziser Artikulation, so dass daraus der Furor einer sich entladenden selbstherrlichen Person wurde, die allein im Gesangsausdruck alle moralischen Skrupel hinwegzufegen schien. Der Originalklangspezialist Christophe Rousset am Dirigentenpult schien es ihm hier und anderswo gleichmachen zu wollen.

Man konnte die minutenlang sich steigernde Spannung etwa im Finale des ersten Akts förmlich spüren bis zu jedem Showdown, wo es Don Giovanni noch einmal gelingt, sich den Nachstellungen und Rachegelüsten seiner Verfolger zu entziehen. Rousset zog das Tempo immer mehr an, ohne dass dabei das Orchester verhuscht und fahrig klang, sondern präzise artikuliert und immer transparent durchhörbar. So verzahnten sich auf dramatisch sinnfällige Weise in diese Szene der Tonfall der bäuerlichen Freiluftmusik mit dem triumphalen „Viva la libertà!“ und den dreinfahrenden Orchesterrufen nach Zerlinas versuchter Vergewaltigung.

Dabei leitete Rousset nicht sein Originalklangorchester, die Talens Lyriques, sondern die Musiker eines ganz normalen städtischen Opernorchesters, die ziemlich viel von seinen Standards umsetzen konnten. Christoph Rousset sagte, mit einem solchen Klangkörper würde er versuchen, einerseits den Firnis auf einer allzu bekannten Partitur abzutragen und gleichzeitig, wenn schon keine radikale Neubewertung des Stücks aus probenpraktischen Gründen stattfinden könne, doch das Augenmerk auf verschiedene Details zu lenken. In Lüttich waren das etwa die immer signifikant von Streichern abgesetzten Blasmusiken.

Von den anderen Darstellern machte besonders Maria Grazia Schiavo als Donna Anna auf sich aufmerksam, die in ihrer Arie „Non mi dir“ einen nachdenklichen, dann aber im Koloraturenteil ihre innere Unruhe signalisierenden Ton anschlug. Sie zeichnete auf rein musikalische Weise eine komplexe Persönlichkeit, was Josè Maria Lo Monaco als Donna Elvira und Sarah Defrise als Zerlina nicht gelang. Laurent Kubla war ein fast zu nobler Leporello mit schöner Diktion in der „Registerarie“ und Maxim Mironov ein Don Ottavio wie eine Statue, die keinerlei Empathie ausstrahlte, dabei makellos sang.

Der belgische Filmregisseur Jaco van Dormael verlegte das Geschehen an die Wall Street. Don Giovanni ist dort ein Trader, das Landvolk um Zerlina und Masetto die Putzkolonnen im Bankgebäude. Außer der Erkenntnis, dass ein Stoff wie der von „Don Giovanni“, in dem es um Macht, Sex und Besitz geht, sich immer irgendwie ins Hier und Heute transportieren lässt, konnte man über das rein Dekorative hinaus, keinen szenisch-dramatischen Mehrwert erkennen.

Premiere: 13.05.2022, noch bis zum 26.05.2022

Besetzung:
Don Giovanni: Davide Luciano
Donna Anna: Maria Grazia Schiavo
Leporello: Laurent Kubla
Donna Elvira: Josè Maria Lo Monaco
Don Ottavio: Maxim Mironov
Zerlina: Sarah Defrise
Masetto: Pierre Doyen
Komtur: Shadi Torbey

Chor und Orchester der Opéra Royal de Wallonie-Liège

Musikalische Leitung: Christophe Rousset
Regie: Jaco van Dormael
Bühnenbild Vncent Lemaire
Kostüme: Fernand Ruiz
Licht: Nicolas Olivier