Marianne Crebassa (Dorabella), Elsa Dreisig (Fiordiligi), Andrè Schuen (Guglielmo), Johannes Martin Kränzle (Don Alfonso), Bogdan Volkov (Ferrando)

16.08.2021 – Mozart, „Così fan tutte“ bei den Salzburger Festspielen

Stand: 16.08.2021, 08:30 Uhr

Die wohl künstlerisch wertvollste Opernproduktion der diesjährigen Salzburger Festspiele stammt aus dem letzten Jahr: Mozarts Così fan tutte mit dem Regisseur Chistof Loy und der Dirigentin Joana Mallwitz. Das wegen Corona auf zweieinhalb Stunden gekürzte Stück läuft dicht, packend, genau und in ganz vielen Nummern herrlich gesungen ab. Loys Regie und Mallwitz‘ Dirigieren vereint psychologische Schauspielkunst mit emotionalem Musikausdruck.

Von Anfang merkt man in kleinen Gesten und Blicken der Darsteller, dass zwischen den Paaren Fiordiligi und Guglielmo sowie Dorabella und Ferrando etwas nicht stimmt zu einem Zeitpunkt, in dem das im Libretto noch nicht angedeutet, allenfalls in Zwischentönen der Musik vernehmbar ist. Dabei hat Loy besonders die beiden Charaktere der Frauen herausmodelliert. Dorabella wird von Mozart mit ihrer Arie „Smanie implacabile“ als reizbarer Geist gezeigt. Grandios wie sich Marianne Crebassa hier in kontrollierter Raserei verliert. Bei Loy zeigt sie ihre Reizbarkeit aber schon ganz am Anfang, als sie ihre Wut über den Einberufungsbescheid der Männer an Ferrando auslässt. Dagegen zeigt Mozart die Fiordiligi in ihren beiden Arien „Come scoglio“ und „Per pietá“ als moralische Frau. Loy fügt dem Spiel von Elsa Dreisig noch einen Hang zur Selbstsuggestion hinzu, was wiederum mit dem Gesangsausdruck zusammengeht, der zwischen Entschlossenheit und zarter Zurückgenommenheit pendelt.

Es gibt in dieser Aufführung zahlreiche solcher Charakterstudien, man könnte insbesondere über den Zynismus und gleichzeitiger Verletzbarkeit des Don Alfonso, wie ihn Johannes Martin Kränzle verkörpert, sprechen oder über die robuste Selbstgewissheit des Guglielmo von Andrè Schuen. Es gibt vor allem aber Stellen, wo die psychologische Zeit außer Kraft gesetzt ist und reine Musik sich breitmacht, z. B. die Arie „Un‘aura amorosa“, die Bogdan Volkov so hingebungsvoll, schön und makellos intoniert und phrasiert, dass man wie aus anderen Sphären noch einmal die Botschaft für die zeitlose Gültigkeit der Liebe vernimmt, die alle Beteiligten ja gerade im Begriff sind durch das Versteck- und Täuschungsspiel außer Kraft zu setzen.

All das wäre immer in Gefahr, brüchig und unverbindlich zu werden, wenn nicht eine Dirigentin wie Joana Mallwitz das Geschehen verankerte und festigte. Sie hat so gar nichts von den experimentellen Eskapaden im Sinn, wie sie ein Teodor Currentzis bei „Don Giovanni“ pflegte. Bei ihr ist alles klar, stabil und doch flexibel. Dazu bediente sie sich eigentlich eines einfachen handwerklichen Kniffs. Besonders in den Ensembleszenen wie dem Quintett Nr.6 vor der Abreise der Männer hält Mallwitz das einmal gewählte Tempo konstant – mal pochend, mal pulsiernd - bei, so dass alle Beteiligten, die Sängerinnen und Sänger, vor allem aber die Orchestermusiker immer an einer Nervleitung bleiben und so erst ein Platz für das Spiel mit Farben und Akzentuierungen geschaffen wird. Mit dieser Mischung aus Glanz und Festigkeit entstehen musikalische Wirkungen von Eindringlichkeit und Charme, ohne Auftrumpfen und Gestikulieren.

Premiere der Wiederaufnahme: 06.08.2021, besuchte Vorstellung: 15.08.2021

Besetzung:
Fiordiligi: Elsa Dreisig
Dorabella: Marianne Crebassa
Guglielmo: Andrè Schuen
Ferrando: Bogdan Volkov
Despina: Lea Desandre
Don Alfonso: Johannes Martin Kränzle

Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
Wiener Philharmoniker

Musikalische Leitung: Joana Mallwitz
Choreinstudierung: Huw Rhys James
Inszenierung: Christof Loy
Bühnenbild: Johannes Leiacker
Kostüme: Barbara Drosihn
Licht: Olaf Winter
Dramaturgie: Niels Nuijten