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„Echnaton“ von Philip Glass an der Oper Dortmund

08.06.2019 - Philip Glass, "Echnaton" in Dortmund

Stand: 08.06.2019, 13:50 Uhr

Die Minimal Music ist in die Jahre gekommen. In Reinform, wie sie von Komponisten wie Steve Reich oder Philip Glass entwickelt und - man muss sagen - zelebriert wurde, trifft man sie bei den Komponisten von heute nicht mehr an. Glass’ Trilogie mit den drei Opern „Einstein on the Beach“, „Satyagraha“ und „Echnaton“ haben mittlerweile fast musikhistorischen Rang. Es geht in ihnen um nichts weniger als um die Menschheitsthemen Wissenschaft (Albert Einstein, Politik (Mahatma Gandhi) und Religion. Letztere in Gestalt des Pharao Echnaton, der im alten Ägypten den Monotheismus einführen wollte und scheiterte.

Man kann zwar nicht sagen, dass Glass‘ Opern ins Repertoire gefunden hätten, aber immerhin aber war „Echnaton“ in letzter Zeit an zwei Bühnen in NRW zu sehen, in Bonn, wo eine Art Zeitreise einer Religionsfanatikerin zurück in die ägyptische Pharaonen-Welt in Gang gesetzt wurde und jetzt an der Oper Dortmund.

Minimal Music ist vom Tonsatz simple Musik, auch in „Echnaton“ hört man zweieinhalb Stunden lang arpeggierte Dreiklänge, immer nur leicht verändert. Das kann den Hörer in eine meditative Trancehaltung versetzen. Es geht jedenfalls nicht um ein aktives Hören. Und so sind auch die Texte, die gesungen werden, gebetsartige Sentenzen in allen möglichen Sprachen, die keinen Handlungsverlauf oder gar eine Dramatik erzeugen, obwohl die Oper „Echnaton“ ja durchaus ein Konfliktpotential birgt, nämlich vom Aufstieg und Fall eines Religionsrevolutionärs.

Ein bisschen geordnet wird das Geschehen durch einen Erzähler, der in Dortmund von Claus Dieter Clausnitzer gegeben wird, besser bekannt als Taxi fahrender Vater des Münster-Tatort-Kommissars.

Simpel heißt für die Musiker aber nicht einfach, sondern fordert äußerst konzentriertes und genaues Spiel. Daran krankte die Dortmunder Aufführung unter Motonori Kobayashi, offenbar schon bei der Premiere und auch bei der besuchten Aufführung am 7. Juni. Schräge Posaunentöne, ungenaue Tempi, merkwürdige Intonationen der Holzbläser, kratzende Celli und jede Menge Balanceprobleme etwa wenn der Chor leise auf dem Off singt und vorne das Orchester sich mit den Glass‘schen Tonfolgen abmüht. Und auch der Countertenor David DQ Lee als Echnaton hatte etwas unangenehm Krähendes in der Stimme.

Der italienische Choreograph und Regisseur Giuseppe Spota inszenierte eine Art entpersonalisiertes, rituelles Raum-Theater. Echnaton, der einzig den Sonnengott Aton noch gelten lässt, wird als sein Stellvertreter auf Erden in ein weißgoldenes Licht gehüllt und in ein ebensolches Kostüm gezwängt. Er handelt nicht als Missionar, sondern steht einfach nur da und zelebriert mit Gesten. Es ist in der Tat ein Gestentheater, über das Giuseppe Spota die Motivationen der Protagonisten vermitteln will, auch bei den Aktionen von Echnatons Widersachern. Nur einmal, am Ende des 2. Aktes, im „Großen Sonnengesang“ Echnatons, wird eine innere Bewegung und Emphase spürbar. Dieser Gesang, der möglicherweise von dem historischen Pharao selbst stammt, ist ein Lobpreis an die Schöpfung und soll sogar das Vorbild für den Psalm 104 abgeben haben. Den singt Echnaton vor einer Scheibe, die wie eine Sonnenfinsternis aussieht und sich allmählich von jenem Weißgold ins Rot wandelt. Ein schöner Lichteffekt, wie überhaupt die Lichtregie und die phantasievollen Kostüme von Tatyana van Walsum für den alles in allem positiven Gesamteindruck der Aufführung sorgen. Bei der Einweihung der neuen Stadt Echnaton agieren in der Mitte der Bühne die Tänzer des NRW Juniorballetts in kraftvollen Modern-Dance-Bewegungen und sind in hautenge, die Nacktheit nur mit verzierendem Strass verdeckende Suits gekleidet. Vorne wandelt abgesenkt in der Unterbühne das Volk, luftig weiß gewandet mit das Haar bergenden Kappen und durchsichtigen Plastikumhängen.

Immer wieder werden Bühnenteile hochgefahren und geben Plexiglasstelen frei, in die bei der Entmachtung Echnatons gelber Sand fließt. Dazu kommen gelegentlich schwarz-weiße Videoprojektionen, bei denen, etwa an der Stelle als die neue Stadt gebaut werden soll, in einer Gitternetzstruktur Dortmunds Fußballarena erkennbar wird.

Man versteht zwar den ganzen Abend nichts und auch die deutschen Erzählworte sind weniger erklärend als mehr beschwörend, aber man hat an einer doch eindrucksvollen Licht-Tanz-Raum-Klangkunstperformance teilgenommen.

Premiere: 24.05.2019, besuchte Vorstellung: 07.06.2019, noch bis zum 29.06.2019

Besetzung:

Echnaton: David DQ Lee
Nofretete: Aytaj Shikhalizada
Königin Teje: Anna Sohn
Haremhab: Mandla Mndebele
Hoher Priester des Amun: Fritz Steinbacher
Aye: Denis Velev
Erzähler, Amenophis, Schreiber, Reiseführer: Claus Dieter Clausnitzer

NRW Juniorballett
Dortmunder Philharmoniker
Chor der Oper Dortmund

Musikalische Leitung: Motonori Kobayashi
Regie und Choreografie: Giuseppe Spota
Co-Regie: Pasquale Plastino
Bühne und Kostüme: Tatyana van Walsum
Licht: Bonnie Beecher, Stefan Schmidt
Chor: Fabio Mancini
Dramaturgie: Merle Fahrholz, Heribert Germeshausen