11.08.2020 – 50. Todestag von Bernd Alois Zimmermann
Stand: 11.08.2020, 12:25 Uhr
In Königsdorf lebte er und liegt begraben, 12km vom Kölner Dom entfernt (neben seiner Frau und seiner gleich nach der Geburt gestorbenen Tochter Barbara), einer der größten Komponisten der musikalischen Avantgarde: Bernd Alois Zimmermann. Am 10. August 2020 vor 50 Jahren ging er in den Freitod.
„Ich bin hinter dicken Glaswänden. Ich kann euch alle sehen, aber ich habe keine Verbindung“, sagte er. Eine akute Depression würde man heute sagen. Dazu kamen eine schwere Hautkrankheit aufgrund einer Kampfmittelvergiftung im Zweiten Weltkrieg und ein Augenleiden, das ihn mit Blindheit bedrohte.
Bernd Alois Zimmermann war in seiner Art zu Komponieren ein Wanderer. Das serielle Komponieren, das nach dem Krieg in der Avantgarde den Ton angab, stand ihm genauso zur Verfügung wie neoklassizistische Anleihen. Auch scheute er sich nicht, Gebrauchsmusiken für den Rundfunk zu komponieren. Sein Opus summum aber ist die Oper „Die Soldaten“, heute ein Klassiker des modernen Musiktheaters, das als unspielbar galt, bis sich der Dirigent Michael Gielen 1965 beherzt der Sache annahm und es beim WDR aufnahm.
An der 50. Wiederkehr seines Todestages trafen sich in Königsdorf an seinem Grab – coronabedingt - eine kleine Schar, einberufen von der Bernd-Alois-Zimmermann-Gesellschaft und ihres Vorstandsmitglieds Dr. Ralph Paland, der sehr nachdrücklich das Ethos von Zimmermanns Komponieren in Erinnerung rief: Komponisten seien Protokollanten einer desorganisierten Welt. Zuvor las Zimmermanns Tochter Bettina aus der Hausbibel des Komponisten aus dem dritten Kapitel des Buches Kohelet „Alles hat seine Stunde“, damit auf Zimmermanns musikalische Zeitkonzeption anspielend, nach der es kein früher oder später, kein hoch oder tief der Stile geben könne, sondern eine Art zeitgenössische Berichterstatteraufgabe.
Bettina Zimmermann zeigte später diese Bibel, die der Komponist mit vielen Anmerkungen versehen hatte auch für nicht realisierte Projekte versehen hat etwa über die Offenbarung des Johannes.
Der Bratscher Sebastian Gottschick spielte in berührender Weide auf dem Friedhof Bach und Zimmermanns Violasonate, die die Widmung trägt „…an den Gesang eines Engels“ - im Gedenken an die verstorbene Tochter Barbara und in Bezug auf Alban Bergs Violinkonzert. Der Schlussabschnitt mündet in den Weihnachts-Choral „Gelobet seist Du Jesu Christ“.
Das alles war auf dem Königsdorfer Friedhof in fast familiärer Atmosphäre zu erleben unter Anwesenheit auch von Zimmermanns Sohn Wimar und dreier seiner Schüler Harald Banter, York Höller und Georg Kröll, alle mittlerweile im hohen Alter und alle auch dem WDR verbunden, Banter als Redakteur und Bandleader in der Abteilung Unterhaltende Musik und Höller als Leiter des Studios für Elektronische Musik, so als ob sich in diesen Personen noch einmal Zimmermanns weitumspannende Musikanschauung zeigte. Und mit Georg Kröll redete Zimmermann am Telefon wenige Tage vor seinem Tod darüber, ob ein Christenmensch sich umbringen dürfe.
Dass Zimmermann auch als eine Lokalgröße wahrgenommen wird, zeigte die Anwesenheit der Frechener Bürgermeisterin Susanne Stupp (Königsdorf gehört seit den Siebzigerjahren zu Frechen), des stellvertretenden Landrats des Rhein-Erft-Kreises und des Vertreters aus Bliesheim, was aus dem Süden kommende Autofahrer als Autobahnkreuz kurz vor Köln wahrnehmen, wo Zimmermann geboren wurde.
Im Anschluss an die Gedenkstunde sinnierte man darüber, ob Bernd Alois Zimmermann eigentlich rheinischen Dialekt sprach: „Isch wandte misch und sah an alles Unrescht, dat jeschah unter d‘r Sonne“, ob er wohl so den Titel seines letzten Werke gesprochen hätte. Nein, sagte seine Tochter Bettina, nur das rollende Voreifler-R habe er zeitlebends beibehalten.